AntigonA

Stimmen, die die Wüste entflammen, Stimmen aus der Wüste


Personen und DarstellerInnen

FRAU 1: Perla de la Rosa
ISABEL: Guadalupe de la Mora
ELENA: Gabriela Beltrán
MANN: Eduardo Jurado
ANTIGONE: María de la Luz Delgado
KREON: Marco Antonio García
BERATER: Valta Ortega
ISMENE: Amalia Molina
VICTOR: Valta Ortega
FRAU 2: Valta Ortega
EURIDIKE: Cecilia Bueno
REPORTERIN:
JOURNALISTIN:
HEMON, Sohn von KREON: Daniel Miranda
FRAU: Miriam de la Rosa
WACHMANN: Mack


Prolog

FRAU 1: Ich bin eine Frau in dieser Stadt, wo alles aus Sand ist. Seit Jahren befinden wir uns im Krieg. Hier eine Frau zu sein, bedeutet in Gefahr zu sein. Deshalb haben wir uns entschieden, Verstecke unter dem Sand zu errichten. Uns mit Sand zu bedecken. Uns unter dem Sand zu schützen, um weiterzuleben. Es geht darum, uns zu verstecken, darum aus dem Blickfeld des Feindes zu verschwinden. Nicht alle haben sich so entschieden, manche glauben, dass sie sicher sind.... tun so, als wenn nichts passiert wäre.... oder wie Clara, sie bewaffnen sich mit Mut und gehen in die Fabriken... Jemand muss ja arbeiten.


I.Szene:

Eine von vielen Geschichten.

ISABEL: Als wir zu Hause ankamen, ist Dir etwas aufgefallen?

ELENA: Wer hat unsere Tür geöffnet?

ISABEL: Und diese Tasche?

ELENA: Brot und ein Stück Schinken.

ISABEL: Der Inhalt dieser Tasche ist völlig harmlos.

ELENA: Wer war hier?

ISABEL: Jemand, der unseren Hunger erraten hat.

ELENA: Es war unsere Schwester, die zurückgekehrt ist!

ISABEL: Wir umarmen uns voller Freude. Seit fast einer Woche haben wir nichts von Clara gehört. Wir haben uns am Dienstagmorgen von ihr verabschiedet und am Sonntagnachmittag beschlossen wir ins Versteck zu gehen, weil wir glaubten, dass sie verschwunden ist, dass wir sie verloren haben und dass nichts sie davon abhält, auch auf uns loszugehen. Aber Clara hatte viel Glück und sicherlich hat sie gearbeitet.

ELENA: Nimm noch ein bisschen mehr. Die arme Clara. Die Arbeit in der Fabrik ist so hart.

ISABEL: Das härteste ist, heraus zu müssen. Vielleicht wäre das beste, für immer im Versteck zu bleiben.... alle drei. Wir könnten wie die anderen arbeiten und das, was wir machen, bei den Marktarbeitern gegen Essen tauschen.

ELENA: Wo wird sie wohl all diese Tage gewesen sein?

ISABEL: Arbeiten, wo sonst?

ELENA: Nein. Ich meine, dann, wenn die Arbeit zu Ende ist. Wenn sie eigentlich hätte hier sein müssen.

ISABEL: Vielleicht hat sie beschlossen, zu einem Versteck zu gehen.

ELENA: Und jetzt? Wo wird sie sein? ... Lass uns nachsehen.

ISABEL: Bleib sitzen! Wer sehen will, wird gesehen. Wir versuchen nicht zu sehen, was passiert ist. Wir essen auch nicht weiter. In der Stille, ohne uns anzusehen, gingen wir schlafen. Als ich meine Kleider aufhängte, blieb mir das Herz stehen. Der Arbeitskittel meiner Schwester Clara hing bei den übrigen Kleidern. Clara ist nicht in der Fabrik.

ELENA: Genau. Sie hat gekündigt und sie haben sie ausbezahlt. Deshalb konnte sie Essen kaufen. Sicherlich hat sie schon beschlossen, wie wir im Versteck zu bleiben. Oder vielleicht ist es an der Zeit, in unser Dorf zurückzukehren. Wer schreit vor unserer Tür?

ISABEL: Jemand, der gefoltert wird.

ELENA: Wir sollten nachsehen.

ISABEL: Bleib hier! Und wir sahen nicht nach, was passiert ist. Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Während wir auf Clara warteten, wurde es langsam hell... Elena, Elena, geh nicht raus! Unsere Schwester ist da draußen. Ah, wie wir uns was vorgemacht haben! Sie ist hier, ihr massakrierter Körper, vor unserer Haustür.

ELENA: Sie haben sie getötet, getötet! Es war sie, die um Hilfe schrie. Ein Messer, gib mir ein Messer, um das Seil durchzuschneiden, mit dem sie gefesselt wurde. Ich werde sie befreien, ich werde sie nach drinnen bringen, um sie zu wärmen, um ihr das Leben zurückzugeben.

ISABEL: Gib mir dieses Messer. Deine Anstrengungen sind vergeblich. Unsere Schwester kann nicht wieder leben. Wenn sie uns in ihrer Nähe sehen, ereilt uns das gleiche Schicksal.

ELENA: Lass mich. Als sie sie getötet haben, habe ich keinen Schritt getan.

MANN: Und Ihr? Wer seid Ihr? Diese Frau liegt ermordet vor eurer Tür. Erkennt Ihr Sie?... Was ist mit Euch? Die dumme Kuh missachtete die Sicherheitsmaßnahmen. Allein auf die Straße zu gehen, ohne einen Mann.

ISABEL: Nein. Wir kennen sie nicht.

MANN: Und sie? Was macht sie mit diesem Messer?

ISABEL: Ich schaute auf meine Schwester Elena. Um unsere Schwester zu befreien und ihr das Leben zurückzugeben, würde sie den Tod suchen. Clara hatte nur einen Wunsch: zu leben.


II. Szene:

Die Rückkehr Antigones.

ANTIGONE: Ah, trostlose Stadt, der stöhnenden Winde, die erbarmungslosen Sonne, der getrockneten Flüsse, ... Stadt, die ihre Stimme schon verloren hat. Wie viel Elend ist Teil deines Erbes? Weine, weine ohne Einhalt. Denn es gibt keine Gerechtigkeit für deine Toten, keine Trauerfeiern, die ihre Erinnerung bewahren.


III. Szene:

Die Präsentation von Kreon. Das Dekret.

KREON: Das ist der erste Tag des ersten Jahres meines Lebens. Bürger, lasst alle wissen, dass Gott wünschte, dass ich lebe, um diese Stadt zu regieren, die durch ihre eigenen Irrtümer versunken ward. Der Hass, der versuchte, mich zu vernichten, kann mich nicht unterdrücken. Im Gegenteil, er erliegt im Angesicht meiner Standfestigkeit. Bürger, man wollte, dass mein Mandat verschwindet, man hat uns verleugnet, um uns mit Schande zu beflecken. Es wird von Toten gesprochen, Hunderten von Toten: von Leichen unschuldiger Frauen, die kein anderes Grab kennen als die Wüste. Eine Lüge! Von welchen Toten sprechen sie? Bürger, diese dunklen Stimmen versuchen die große Stadt, die wir erbaut haben, einzureißen. Sie versuchen unseren Weg zum Sieg aufzuhalten, ohne Erfolg. Ohne die Anstrengungen zu berücksichtigen, die die tägliche Schlacht kostet, damit diese große Stadt, errichtet von einem Heer von Männern, die ohne Ruhepause arbeiten, immer wieder erwacht. Deshalb können wir nicht tolerieren, dass diese kläglichen Stimmen dieser heimatlosen, schäbigen Frauen, unter den wohlwollenden Menschen ein Echo finden. Wir dürfen nicht erlauben, dass sie uns mit ihren dürftigen Interessen, zu Geiseln der Verlogenheit und Erpressung verwandeln. Aufgrund der Verantwortung, die Sie als Bürger, mir durch meine Wahl als ihr Bürgermeister verliehen haben, bekunde ich, dass es keine Toten gibt. Dass es keine Körper zu identifizieren gibt. Und das ist sehr deutlich. Sie existieren nicht. Und derjenige, der meiner Aussage widerspricht, ist verpflichtet, Beweise vorzulegen. Man hat ohne Scheu unsere Sicherheitskräfte wegen Verschleierung verdächtigt, und sie haben gewagt, sie als Verbrecher darzustellen. Nichts ist verantwortungsloser. Diese fremden Stimmen sind voll von Undank gegenüber unserer Stadt. Das einzige, was sie wollen, ist uns des Fortschritts und des Glücks zu berauben. Die Frauen, die als vermisst gelten, haben sich verirrt und sind lebendig. Und sogar lebendiger als wir. Heute Nachmittag haben wir drei der Vermissten gefunden. Man hat sie in einem Badeort am Mittelmeer ausfindig gemacht. In dieser Stadt sollte keiner um diese Toten weinen, die nur ein Ergebnis der Phantasie skrupelloser Söldnerinnen sind. Diesen Frauen sage ich: Ihr seid nicht aus Theben. Und wenn Ihr dieser großzügigen Stadt, die eine Mutter empfangen hat, nicht treu seid (....) dann geht. Selbstverständlich sind Frauen gestorben, und natürlich auch Männer aus Theben. Aber nicht mehr, als auch in jeder anderen Stadt wie unserer normal wäre. Deshalb, und werte Freunde, Ihr werdet mir zustimmen, erkläre ich, um den Wohlstand und die Bürger von Theben zu verteidigen, jeden zum Feind der Stadt, der darauf beharrt, unser Bild zu beschädigen und damit unsere legitimen Interessen verletzt. Ich bestehe darauf: Sie werden als Feinde der Stadt angesehen und werden als Feinde die ganze Härte des Gesetzes erfahren.

BERATER: Mein Herr, nicht dass ich Ihnen widerspreche, aber der Befehl erscheint mir etwas radikal.

KREON: Und was kann ich sonst tun? Der Zustand dieser Leichen macht eine Identifikation unmöglich. Warum mehr Tränen erzeugen?

BERATER: In der Stadt werden immer mehr Gegenstimmen laut. Das einzige, was diese Frauen erbitten, ist Gerechtigkeit. Es scheint mir, als müssten wir etwas unternehmen, etwas ich weiß nicht, ihnen etwas geben, ich weiß nicht, irgendeine ... Befriedigung ......

KREON: Gerechtigkeit? Bah! Betrügerinnen! Wir wissen alle, was sie wollen. Sie werden etwas bekommen, was sie nie hatten. Und dann werden wir den Preis ihres Schmerzes sehen.

BERATER: Mal sehen, Sie Victor, erfinden Sie etwas, etwas das, ..... werden Sie kreativ, dafür bezahle ich Sie schließlich, damit Sie mir Lösungen liefern, keine Probleme.

VICTOR: Herr, aber es ist ... Theben bricht zusammen, in anderen Städten berichtet man schon über unsere Situation. Wir dürfen nicht erlauben, dass so ein Skandal daraus wird. Diese ganze Situation, natürlich wie übertrieben, verletzt unsere Ehre und kostet uns Prestige.

BERATER: Ja, ja, Victor. Erzählen Sie mir nichts, was offensichtlich ist. Ich wiederhole: werden Sie kreativ? Ja? Halten Sie uns den Rücken frei und bewahren Sie uns vor Kopfschmerzen. Kümmern Sie sich nur darum, dass die Befehle eingehalten werden.


IV. Szene:

Haltung einnehmen. Die Argumente von Antigone und Ismene.

ISMENE: Bist du krank? Seitdem du angekommen schläfst du nicht, isst du nicht ... Du kannst so nicht weitermachen. Das ist verrückt!

ANTIGONE: Verrückt ist das, was dich und mich ins Unglück gestürzt hat, und alle anderen Frauen auf dieser Erde. Der Wahnsinn derjenigen, die noch den Schutz des Schlafes besitzen. Und jetzt, welcher neue Befehl bestimmt über jeden einzelnen Bürger dieses Ödlandes? Welche neue Geschichte hat sich jetzt verbreitet? Welchen neuen Schuldigen haben sie erfunden?

ISMENE: Ich habe auch kein Auge zu getan. Aber ich glaube nicht, dass meine Erschöpfung oder meine beständige Suche das Rad des Schicksals zurückdrehen könnten. Es holt uns unerbittlich ein. Bei der Nachtwache denke ich manchmal es wäre besser, sie in Frieden ruhen zu lassen und von hier zu verschwinden.

ANTIGONE: Ja. Unsere Schwester möge in Frieden ruhen, doch die Erinnerung an sie erlaubt uns nicht in Frieden zu leben. Das Echo ihrer Stimme nistet sich in unsere Träume ein und unsere Schritte finden keine Ruhe, wie ihr eigener verlorener Körper noch nicht den Schutz der Erde finden konnte. Unsere Qualen werden nicht aufhören, solange das Vergessen und die Schmach in unseren Herzen weilen.

ISMENE: Warum suchst du die Schuld weiterhin bei Dir? Warum verurteilst Du mich? Versteh es! Mit oder ohne Beisetzung, sie ist sicherlich bereits tot. Und wir würden gut daran tun, es zu vergessen und einfach nur zu versuchen, weiterzuleben.... Bisweilen denke ich, dass der Moment des Sterbens nur ein Augenblick ist, für jeden unausweichlich.

ANTIGONE: Der Unterschied besteht in der Art und Weise des Sterbens.

ISMENE: Aber wenn wir uns nur mit der Tatsache des Todes konfrontieren, würden uns die vorangegangenen Leiden nicht so quälen. Schließlich sind wir noch hier. Lebendig!

ANTIGONE: Ich nicht. Du hast es ausgesprochen, die vorangegangenen Leiden. Und wer versichert uns, dass unsere Schwester nicht weiterhin der Demütigung des Leidens ausgesetzt ist? Könntest du versichern, dass die Grausamkeit ihres Leidens aufgehört hat? Und wenn sie heute Nacht durch das Grauen ihres eigenen Todes gequält würde?

ISMENE: Glaubst du immer noch, dass sie lebt?

ANTIGONE: Ich brauche Gewissheit, ... irgendeine, auch wenn es ihre Leiche ist. Und mehr noch: Ich brauche das Gesicht des Schuldigen, die Hände des Mörders. Die Gerechtigkeit ist von hier verschwunden und wir alle brauchen Gerechtigkeit.

ISMENE: Wir brauchen das Leben. Wenn Polinike lebt, wird sie selbst entscheiden, wann sie zurückkehrt. Sie hat immer das getan, was sie wollte, und ich wäre nicht die erste....

ANTIGONE: Was willst du damit sagen?

ISMENE: Genau das. Für Euch, für meinen Vater, für Dich war es immer sehr einfach zu gehen. Schließlich würde Ismene immer in Theben bleiben und auf Euch warten, während sie auf die kleine Polinike aufpasst, den Haushalt führt und Euch auf dem Laufenden hält. Und nichts ist passiert. In der Ferne hat sich nur der Mythos um Dich und deine Abwesenheit vergrößert.

ANTIGONE: Ich musste gehen, auch wenn ich alles verlieren würde. Ich kann mich nicht entscheiden, jemand anderes zu sein als die, die ich bin. ISEMENE: Wir wussten nichts von Dir, und Du nichts von uns. Und jetzt kehrst Du zurück, um mir mir Vorwürfe zu machen, um mich zu beschuldigen wegen dem, was passiert ist?

ANTIGONE: Niemand gibt Dir die Schuld...

ISMENE: Doch du. Dein Blick, deine Besessenheit, deine Ungeduld. Warum können wir nicht warten, bis sich alles klärt? Das hier ist zu groß für uns und es gibt zu viel Ungewissheit. Aber du bist besessen, Wahrheiten zu finden. Wer weiß, ob wir die Wahrheit ertragen können? .. Du musstest zurückkehren und alles aufwühlen, um deinen Mut zu zeigen.

ANTIGONE: Es war nicht wirklich der Mut, der mich von hier fliehen ließ.

ISMENE: Wie ich deinen übermäßigen Hochmut verachte. Zu glauben, du könntest das Schicksal überlisten, uns alle überlisten, auf die Probe stellen... Antigone, die mit dem großen Durchblick, mit dem Pflichtbewusstsein, die alles für die Wahrheit opfert, die sich sogar von dem trennen kann, das sie am meisten liebt.

ANTIGONE: Du sprichst aus Furcht. Sie haben Dich eingeschüchtert. Jetzt schaust du nur auf Dich. So möchtest Du Dich retten? Du glaubst, das sie Dich nicht mitnehmen, wenn Du verstummst. Keiner kann für sich den heiligen Namen des Gesetzes in Anspruch nehmen, solange nicht das heilige Recht auf Leben die süße Schlinge ist, die uns zusammenhält. Niemand rettet sich ganz allein.

ISMENE: Ich bin nicht so sicher, ob es das beste ist, selbst zu handeln. Schau auf die anderen Familien, wenn es keinen Ausweg gibt, hilft der Gehorsam. Kreon hat angeordnet, dass man zu Gunsten der Stadt nicht mehr über Morde spricht.

ANTIGONE: Und wer ist Kreon, um zu behaupten, dass meine Tote, weniger Tote oder weniger Bürgerin ist, als die Toten, die täglich in Frieden sterben? Ist es unsere Armut, die uns bestraft? Arme und fremde Bürgerinnen. Seit unserer Kindheit ins Exil verdammt, um herumschweifend Ödipus unseren Vater zu lotsen. Seine Armut und seine Schuld auf unseren Schultern. Und nach so vielen umhergeirrten Jahren auf , weiß man wo sein Platz ist, dort wo seine Toten liegen. Und ohne Grab für meine Schwester Polinike, was wäre mein Platz? Was deiner? Oder bin nur ich ihre Schwester? Kommen wir nicht alle drei aus dem selben Bauch?

ISMENE: Und was erwartest du von mir? Wie soll ich sie finden? Ich bin so allein und so blind wie Du. Auch ich weine um sie.

ANTIGONE: Weißt du welcher andere Schmerz uns belastet?

ISMENE: Nein.

ANTIGONE: Du verbirgst, was Du weißt. Hör es sodann von meinen Lippen. Ich werde sehen, ob dein Herz im Unglück aufhört zu schlagen oder ob es mit mehr Kraft klopft.

ISMENE: Also, welche Gedanken quälen Dich?

ANTIGONE: Hör mir gut zu: Wir werden nie Gewissheit darüber haben, was mit unserer Schwester geschehen ist. Wenn sie tot ist, werden wir ihren Körper nicht finden. Kreon besteht darauf, die Morde zu leugnen. Trotzdem heißt es, dass im Leichenhaus mehr als zweihundert nicht identifizierte Tote liegen. Kreon wartet auf die Gelegenheit, sie in die Wüste zu werfen, damit sie als Futter der Raubvögel verschwinden. Man sagt, dass er es schon geschafft habe, die Kleidung und die Beweise von mehr als zweihundert Opfern zu verbrennen. Der Tyrann hat angeordnet, nicht über diese Angelegenheit zu sprechen. Er beschuldigt uns, übertrieben zu haben. Und indem er diesen Genozid verleugnet, zeigt er auf uns als Feinde von Theben. Er beharrt darauf, dass es um ein paar Verschwundene geht, die ihr Schicksal selbst gesucht haben. Nun sag mir, was gedenkst Du zu tun?

ISMENE: Was willst Du von mir?

ANTIGONE: Dass Du mir hilfst.

ISMENE: Wie?

ANTIGONE: Wir müssen Polinike im Leichenhaus suchen. Wir müssen sie finden. Und wenn sie tot ist, sollten wir ihren Tod durchleben. Ihre Erinnerung ehren. Es ist menschlich, Trauerfeiern darzubieten. Wir sollten Kreon dazu verpflichten, die Verbrechen anzuerkennen. Merkst du es nicht? Wenn wir ihren Tod leugnen, leugnen wir auch ihr Leben.

ISMENE: Hast du die Befehle nicht verstanden? Lass sie in Frieden! Wenn sie tot ist, hilft es nichts, wenn Du das Risiko eingehst, damit Dir dasselbe widerfährt. Es ist besser zu vergessen, es wird schon vorbeigehen...

ANTIGONE: Es ist meine Schwester! Und auch deine Schwester!

ISMENE: Sie werden Dich mitnehmen und nichts kannst Du zu deiner Verteidigung vorbringen.

ANTIGONE: Ist meine Treue, meine Liebe, mein Schmerz, diese verzweifelte Suche nach Gerechtigkeit etwa nichts?

ISMENE: Du wirst nicht müde, bis Du es schaffst, dass wir selbst auch im Sand liegen, mal sehen, ob es dann jemand wagt, uns beizusetzen. Du wirst nicht aufhören, bis das einzige, was von uns bleibt, ein Schuh ist. Vergiss alles, lass uns weit weg von hier weggehen, das Leben ist immer stärker...

ANTIGONE: Du möchtest, dass ich die Vergangenheit vergesse, du möchtest von hier fliehen, um den Frieden an einem anderen Ort zu finden; aber diese Verbrechen haben uns für immer geprägt. Und es gibt keinen Ort, um vor dem geflossenen Blut zu fliehen. Viele sind unter der Mitschuld des Tyrannen gestorben, sind zerfetzt aufgetaucht ohne ein anderes Grab, als diese Wüste, aufgezehrt von dieser unbarmherzigen Sonne dieser Stadt der toten Blicke. Weil der Gott der Gerechtigkeit nicht alle gleichermaßen begünstigt.

ISMENE: Beachte, dass wir Frauen sind: Wir können nicht gegen die Männer kämpfen. Unsere schwachen Kräfte zwingen uns dazu, nachzugeben, um nicht zu leiden. Ich folge demjenigen, der Befehle erteilt...

ANTIGONE: Ich werde nicht darauf bestehen. Du, folge dem Befehlshaber und seinen Anordnungen. Ich hingegen schwöre Dir, dass ich meiner Schwester die Ruhe eines Begräbnisses geben werde. Was kümmert es mich zu sterben? Ruhen werde ich neben denjenigen, die in Frieden ruhen. Kreon hat die Macht. Mir ist es tausend mal lieber diejenigen zufrieden zu stellen, die von unten kommen, als die da oben. Denn es ist unten, wo ich für immer wohnen werde.

ISMENE: Das Salz der Tränen ist nicht unendlich. Und sie werden sich auch nicht für immer durch die Backen furchen. Eine scharfe Waffe kann einem Sterbenden auch Glück bringen...

ANTIGONE: Vielleicht liegt in der Wüste oder im Leichenhaus, noch dein eigen Fleisch und Blut, aber für Dich gehört dies jetzt schon zur Vergangenheit.

ISMENE: Jetzt habe ich ganz einfach nicht den Mut.

ANTIGONE: Und an dem Tag an dem Du ihn findest, wird es keine Arme einer Schwester geben, die Dich empfangen. Dieser Kampf ist nicht deiner. Du hast es selbst so gesagt.


V. Szene:

Euridike in öffentlicher Verteidigung von Kreon

FRAU 2: Wie könnt Ihr es wagen zu kommen? Wir wollen hier niemanden von Euch... Das einzige, was ich brauche, ist meine Tochter, gebt sie mir zurück... hört jemand mein Flehen ... wenn Ihr sie mir nicht lebend zurückgeben könnt, gibt es keinen Trost, den Ihr mir spenden könntet.

EURIDIKE: Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass eine der Frauen ihre Tochter ist, ich bitte Sie nicht vergebens zu leiden. Bis jetzt wurde noch keine identifiziert. Schauen Sie, ich verspreche Ihnen, dass mein Mann nicht ruhen wird, bis er sie findet. Ich bin mir sicher, dass sie noch lebt, wie auch viele andere Mädchen, die man schon gefunden hat.

FRAU 2: Eine Lüge! Ihr betrügt uns. Ihr habt sie.... Bitte gebt sie mir zurück. Mörder, ihr seid Mörder.

EURIDIKE: Es tut mir leid. Ich bin auch Mutter. Jede Frau schmerzen diese furchtbaren Vorfälle... Das einzige, was ich beabsichtige, ist es dabei zu helfen, das Leiden ein bisschen zu mindern... Es ist verständlich, dass unter diesen Umständen Schuldige gesucht werden... Mir scheint es, dass wir diesen Familien mit Einfühlungsvermögen begegnen sollten...

REPORTERIN: Sind die Motive des Dekretes Ihres Ehemannes verständnisvoll?

EURIDIKE: Welches Dekret?... Ich habe mit meinem Mann über diese Vorfälle gesprochen und kann Ihnen versichern, dass er sich große Sorgen macht... Es hat ihn seinen Schlaf geraubt ... Vergessen Sie nicht, dass auch er selbst Opfer dieser Gewalt geworden ist...

REPORTERIN: Also: Warum leugnet er die Existenz der Leichen, die man gefunden hat? Man spricht von mehr als zweihundert Leichen, die sich im Leichenhaus befinden. Warum werden die Schuldigen nicht bestraft?

EURIDIKE: Das Leichenhaus ist leer, aber ich möchte mich nicht provozieren lassen... Wenn Sie, wie ich, Zeugin von den großen Anstrengungen wären, die er unternimmt, um dieser Stadt Sicherheit zu bieten... Diese Frauen, die wenigen, die wirklich gefunden wurden, lebten mit dem Risiko ... ein verdecktes Leben... sie würden in dieser oder einer anderen Stadt sterben... Aber man urteilt nicht über ihre Lebensweise, ihnen ist Gerechtigkeit widerfahren. Die Verbrecher wurden verhaftet. Die Mehrheit der Fälle ist gelöst.

JOURNALISTIN: Seit zehn Jahren schon sind auch verschiedene ermordete Mädchen aufgetaucht, ohne dass bis jetzt Gerechtigkeit erreicht wurde...

EURIDIKE: Etwas, dass wir auch beachten sollten ist, dass wir Frauen versagt haben... Entschuldigen Sie mich, aber diese Mädchen sind in verwahrlosten Zuständen aufgewachsen... Es ist offensichtlich, dass sie keine verantwortungsvollen Mütter hatten.

JOURNALISTIN: Und? Sie glauben also, dass die Mütter schuld an dieser Situation sind?

EURIDIKE: Nein, Ich möchte sagen... Ich möchte Sie nur bitten, dass wir alle zusammenarbeiten. Das bedeutet, verantwortungsvoll aufzupassen. Auf unsere Kinder aufzupassen. Auf uns selber aufzupassen. Nicht allein auf die Straße zu gehen...

JOURNALISTIN: Aber sie wohnen in einer Stadt voller alleinstehender Frauen. Bitten Sie sie darum, nicht zur Arbeit zu gehen? Von was sollen sie leben? Es sind arme Frauen...

EURIDIKE: Genau, weil es viele betroffene Familien gibt und ich meine alle, die ihre Arbeit verloren haben. Wir müssen Verantwortung zeigen im Umgang mit diesen Angelegenheiten, wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt darauf schaut, was in Theben passiert. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass wir uns in einem ungerechten Wettbewerb mit anderen Städten befinden, die ihren Vorteil aus dieser Situation ziehen. Lassen wir die Autoritäten ihre Arbeit verrichten. Im Bewusstsein der Situation dieser Familien hat mein Mann angeordnet, dass die Kosten für die Beerdigung dieser acht Opfer übernommen werden, und sie sind die einzigen, die gefunden wurden.

HEMON: Bitte entschuldigen Sie uns, wir wollten Ihnen nur unser Beileid aussprechen, aber wir sollten ihren Willen respektieren.

EURIDIKE: Kreon ist ein guter, ehrbarer Mann. Seit vielen Jahren sehe ich ihn unermüdlich für diese Stadt, die er so sehr liebt, arbeiten. Ich habe seine Ängste um unser aller Schicksal gehört. Ich bin mit seinen großen Träumen betraut, uns allen eine ruhmvolle und reiche Zukunft zu bescheren. Ich bin stolz auf ihn. Und als Bürgerin, würde ich aufopferungsvoll mein Blut dafür geben, um mich denen entgegenzustellen, die es wagen, sein Leben oder seine Ehre zu verletzen. Ich vertraue vollkommen seinen Entscheidungen und weiß, dass er nur das beste für Euch alle will, die ihn vertrauensvoll zum Bürgermeister von Theben gewählt haben.


VI. Szene:

Die Verschleierung des Mörders

FRAU: Es ist alles gut. Es stimmt doch, alles ist gut? ... Natürlich ist alles gut... verzeih mir, dass ich so töricht bin... Es ist alles gut, oder?

FRAU: Gott rette Dich heilige Maria, Du bist voll von Gnade, der Herr sei mit Dir. Gesegnet seiest Du unter allen Frauen.... Heilige Mutter Gottes, beschütze ihn. Du als Mutter kennst diese Schmerzen... Vergib Ihnen, oh Herr. Du weißt, dass er nur etwas gehorsam ausführt, dass er deinem Willen verrichtet. Herr, Du weißt es, oder?


VII. Szene:

Wiedersehen zwischen Antigone und Hemon

HEMON: Es tut mir leid. Ich wusste nicht, wo ich Dich finde. Ich wusste nichts mehr von Dir bis ... heute.

ANTIGONE: Warum suchst Du mich?

HEMON: Ich weiß nicht. Ich glaube, .... um Dir zu helfen.

ANTIGONE: Ah.

HEMON: Was möchtest Du, dass ich Dir sage? Ich habe nie die treffende Antwort.

ANTIGONE: Die letzten Worte wurden schon vor langer Zeit gesprochen.

HEMON: Bist Du sicher?

ANTIGONE: Jetzt verstehe ich, Du fühlst Dich besorgt, wie immer, wegen den Taten deines Vaters. Spar dir Erklärungen, nichts kann einen Mann rechtfertigen, der uns nicht nur den Rücken kehrt, sondern uns inmitten der Tragödie auch noch demütigt.

HEMON: Es geht nicht um meinen Vater. Es geht um uns beide.

ANTIGONE: Um uns beide? WIR ist ein Wort, dass ich mir für Leute meiner Familie vorbehalte. Wir sind meine Schwester Polinike und ich. Wir sind die lebendigen Toten, die dein Vater sich weigert zu hören. Irre dich nicht noch einmal. Es gibt ein IHR. Du gehörst zu deinem Vater und ich zu meiner Schwester.

HEMON: Bitte, sei nicht so. Ich finde nicht die richtigen Worte, um Dir zu sagen, dass ich nur wegen Dir hier bin. Dass ich all diese Jahre auf Dich gewartet habe. Und dass ich nie verstanden habe, warum Du von hier weggegangen bist. Ich glaube, ich habe ein Recht, das zu wissen.

ANTIGONE: Sicher, wir haben alle ein Recht auf einen kleinen Funken Wahrheit. Aber ich werde dir nicht nur die Motive meines Weggehens, sondern auch die meiner Rückkehr nennen. Als ich fortging, tat ich das, weil ich verstand, dass ich dabei war, mich selbst zu verlieren, um als Inventar von Kreon zu enden. Und jetzt verpflichtet mich das Leben dazu, zurückzukehren, damit Kreon, dein Vater, mir das zurückgibt was meines ist. Verstehst Du das? Alles was mich bewegt, was mich atmen lässt, ist dieser Schmerz, der nicht aufhört. Der erste Gedanke in meinem Kopf, wenn ich erwache und der letzte, bevor ich in den Abgrund meiner Träume sinke. Tag um Tag. Es ist ein einziger. Ich möchte meine Schwester. Ich möchte ihr Gesicht wiedersehen, ihre Stimme hören... Und gleichzeitig tauchen die bösen Gedanken auf, dass es sie nicht mehr gibt, dass ich sie unwiderruflich verloren habe. Verstehst Du? Kannst Du diesen Schmerz verstehen?

HEMON: Ich liebe Dich.

ANTIGONE: Ich...

HEMON: Was sagtest Du?

ANTIGONE: Das Böse geschieht, weil die Guten nichts unternehmen.

HEMON: Bitte mich, um was Du willst.

ANTIGONE: Ich möchte ins Leichenhaus.


VIII. Szene:

Der Betrug und der Groll

FRAU 2: Großherzig bezahlen sie die Ausgaben der Beerdigung und trotzdem zeigen sie auf diese Weise ihren Eigennutz. Was Kreon in Wirklichkeit macht, ist sich der Körper zu entledigen, die er nun nicht mehr leugnen kann. Er bringt sie aus der Stadt, er erteilt ihnen einen Platz zwischen den Toten der Armut. Bis in die Hölle verfolgen sie uns, um klar zu stellen, dass wir nicht gleich sind. In dieser verdammten Stadt der sieben Tore gibt es Tote der ersten und der fünften Klasse. Sie überlassen unsere Töchter dem Vergessen. Meine Tochter wurde so weit von Theben begraben, dass ich ihr Grab nie besuchen werde können.


IX. Szene:

Der erste Besuch im Leichenhaus. Die Beweise.

HEMON: Der Kapitän riskiert sein Leben. Du sprichst von fünf Minuten, aber zwei Sekunden werden reichen, um zu sehen, dass es leer ist. Vielleicht aber brauchst du noch einige Sekunden länger, um meinem Vater zu glauben.

ANTIGONE: Ich muss Dich finden, ich wollte mein Herz bliebe stehen, um diesen Moment nicht zu erleben, aber ich muss es wissen. Lebendig oder tot. Der Gedanke ist unerträglich, dass Du gefangen hinter diesen Mauern bist unter dem dunklen Blick derer, die dich nicht beschützen wollten Und es ist unerträglich zu denken, dass sich lauernd unter diesen abscheulichen Augen derjenige findet, der Dich ermordet hat. Ich muss Dich finden... Gott, Gott. Bitte lass sie mich nicht hier finden.

ANTIGONE: Schläfst du? Süße Unbekannte. Du bist nicht Polinike und ich weiß nicht, warum mein Herz, das bis vor einigen Momenten aufgewühlt war, eine kurze Erleichterung verspürt. Vielleicht, weil ich etwas suche, was ich nicht finden will... Es ist nicht wahr. Ich weiß ganz genau, was ich suche und seit einiger Zeit weiß ich, was ich finden würde. Ich hatte nur die kleine Hoffnung, Dich so zu finden, so süß und schön; so menschlich, auch wenn ich Dich, geliebte Polinike genauso finde, wie diese zarte Unbekannte.

HEMON: Wir müssen hier raus.

ANTIGONE: Es ist vorbei, nicht eine Minute mehr, ich werde sie nicht hier zurücklassen.

WACHMANN: Schon wieder irrst du herum? Du entkommst dem Ort des Todes nicht.

WACHMANN: Hier bei mir, eine mehr, barfüßiges Mädchen, so kalt, wie die Schuld.


X. Szene:

Die Anekdote.

FRAU 1: In dieser Stadt ist es schwer zu wissen, dass man lebt. Eines nachmittags, nach der Arbeit, als ich auf den Bus wartete, erschreckte mich das Quietschen von Reifen. Danach hörte ich mehr als dreißig Schüsse. Jetzt haben sie jemanden getötet, dachte ich. Danach kam eine zweite Schießerei, die ich schon über meinem Kopf spürte. Mein Körper reagierte bevor ich es merkte, ich kroch unter die Bank an der Bushaltestelle. Mein Herz klopfte wie wild, das ganze Leben hing an einem seidenen Faden, es folgte eine dritte Schießerei, ... am Ende die Stille... übrigens lebe ich noch.


XI. Szene:

Der zweite Besuch Antigones im Leichenhaus. Die Ergreifung.

ANTIGONE: Ich bin zurück. Ich werde deinen Schlaf nicht stören. Ich werde Dich nur in das weiche Bett der Erde bringen.

WACHMANN: Was machst Du hier? Es ist außerhalb der Öffnungszeiten. Weißt Du, was Du Dir damit antust?

ANTIGONE: Bitte, gestattet mir, sie mitzunehmen.

WACHMANN: Sie mitnehmen, bist du verrückt? Kennst du den Erlass nicht?

ANTIGONE: Sie haben auch eine Familie und würden nicht zulassen, dass ihnen so etwas passiert.

WACHMANN: Wir, die nachts leben, haben keine Familie. Es ist besser, sich mit etwas zu beschäftigen, wenn man nicht schlafen kann.

ANTIGONE: Ich weiß, was Ihnen befohlen wurde, aber alleine gehe nicht.

WACHMANN: Ach, die Frauen! Immer voll mit Geschichten!

ANTIGONE: Fass mich nicht an!

WACHMANN: Bist du nicht diejenige, die Wärme spendet? Was für schmutzige Hände!

ANTIGONE: So sind sie, erschöpft davon in der Erde zu wühlen.

WACHMANN: Ekelst du dich nicht davor, die Leichen anzufassen? Was hast du da? Du bist so warm. Aber ich bin professionell und muss dich ausliefern.


XII. Szene:

Die Entscheidung ins Versteck zu gehen. Die Pest.

FRAU 1: Als ich nach Hause kam, machte ich das Radio an, und so wusste ich, dass es sich um eine Schießerei zwischen Drogenhändlern handelte. Dass verirrte Kugeln dem armen Leben eines armen Mannes, so arm wie ich, ein Ende setzten. .. Ein unerträglicher Gestank erstickte mich... Eine Frau blieb vor ihrer kleinen vierjährigen Tochter liegen... Meine Tochter ist im selben Alter. Es erstickte mich... ich wollte aus der Stadt fliehen, aber wohin? In dieser Nacht beschloss ich, ins Versteck zu gehen ... Manche sagen, es wird übertrieben. Ich weiß nur, dass ich eine alleinstehende Frau bin, alles was ich habe ist meine Tochter... wenn sie sie mir wegnehmen, nehmen sie mir die Welt .. Es gibt einen unerträglichen Gestank da oben in der Stadt, ist das die Pest?


XIII. Szene:

Die Auseinandersetzung zwischen Antigone und Kreon. Die Argumente.

KREON: Warum bringst du mir die? Wo hast du sie verhaftet?

WACHMANN: Sie heißt Antigone.

KREON: Ich weiß schon.

WACHMANN: Sie hat versucht eine der Leichen aus dem Leichenschauhaus zu bringen. Sie sagt, es ist ihre Schwester... Ich habe sie erwischt, obwohl sie sich schon gestern Nacht hineingeschlichen hat. Heute habe ich mich, ihre Befehle befolgend, keine Sekunde von meinem Platz bewegt, weil ich wusste, sie muss zurückkehren. Der Dieb kehrt immer zurück.

KREON: Gibst Du zu, was Du getan hast?

ANTIGONE: Ich wollte nur das holen, was mir gehört.

KREON: Weißt Du, was in Bezug auf diese Toten befohlen wurde?

ANTIGONE: Wie könnte man es ignorieren? Du bist immer effizient, wenn es darum geht, deinen Willen bekannt zu machen. Deine Befehle werden in der ganzen Stadt veröffentlicht. Sie waren klar und deutlich.

KREON: Vielleicht dachtest du, weil Du die Tochter des stolzen Ödipus bist, reicht das, um sich über das Gesetz hinwegzusetzen.

ANTIGONE: Nein. Ich habe nicht daran gedacht.

KREON: Das Gesetz wurde vor allem für Dich gemacht Antigone. Das Gesetz wurde für die Töchter der Könige gemacht! Und trotzdem wolltest Du Dich über das Gesetz lustig machen!

ANTIGONE: Weil es dein Gesetz war.

KREON: Dieses Gesetz ist für diese Stadt.

ANTIGONE: Das Gesetz eines Sterblichen kann von einem anderen Sterblichen ignoriert werden. Ich weiß, dass Du meinen Tod anordnen wirst. Das wäre in meinem Stadium des grausamen Leidens ein Vorteil. Ich bin hineingegangen, um den Körper der Tochter meiner Mutter zu retten, um ihm eine Beerdigung und die Ruhe zu geben, die weder Du noch jemand anderer ihm verweigern kann.

KREON: Du verletzt das Gesetz, brichst den Befehl und zeigst dich trotz allem noch zufrieden. Du beabsichtigst das Delikt noch als etwas Ehrenvolles darzustellen.

ANTIGONE: Wenn der Tyrann die Gesetze bricht, macht er es im Namen der Ordnung. Und das Abweichen des Bürgers nennt er Delikt. Widerspenstigkeit. Gefahr. Sprichst du vom Gesetz? Du , der die göttlichen Regeln bricht, die Grundrechte: Du, der die Gerechtigkeit getötet hat?

KREON: Du hast Glück. Ich verstehe nicht, wie ich jedes einzelne deiner Worte toleriert habe, Du zeigst keine Reue. Ich kann Dich nicht bestrafen wie man es verdient, weil einen nahezu wahnsinnigen Hochmut zu deinen Gunsten zeigst.

ANTIGONE: Für Dich ist es nicht genug, dass derjenige, der meiner Schwester das Leben nicht gegeben hat, ihr den Tod gab. Sie haben ihr das Leben schon genommen. Nun versuchst du sie zu ignorieren, sie wegzuwerfen, ihr ihren Namen und ihre Geschichte zu nehmen. Du versuchst keine Spuren zu hinterlassen von dieser langandauernden Schande, die sich seit zehn Jahren wiederholt. Du verleugnest die Identität meiner Schwester und all der Toten dieses von dir unterstützten Krieges. Du glaubt somit das Vergessen für deine Taten und Versäumnisse zu gewährleisten. Du glaubst, so behältst du die Kontrolle und die verfluchte Straflosigkeit, mit der Du alle Begriffe von Gerechtigkeit auf dieser Erde niedergeschmettert hast.

KREON: Du bist mir ausgeliefert.

ANTIGONE: Glaubst Du dein Gesetz wird uns aufhalten? Dass Du durch Drohungen unsere Stimmen und unsere Klagen zum Schweigen bringst?

KREON: Glaubst Du es gibt andere, die die Dinge sehen wie Du?

ANTIGONE: Auch andere haben Augen und sind bestürzt.

KREON: Ich empfehle niemandem, der sein Leben schätzt, dass er sich deinen Worten anschließt. Laut dir, beschuldigen mich andere Blicke. Die Stimmen, die mich zum Bürgermeister von Theben gewählt haben, sagen etwas anderes. Weißt Du warum? Weil sie den Wohlstand genießen, mit dem ich sie versorge. Weil diese, die große Stadt, viel mehr ist als ihre Probleme, weil wir es gelernt haben, die Wüste zu bezähmen, weil wir die Bürger Thebens sich stolz der Verleumdung stellen, weil kein Skandal der geschürt wurde uns verletzt hat. Weil die Kugel die meinen Kopf durchstreifte, nicht den Staat enthaupten konnte. Deinem Widerstand stelle ich die Kraft und den Reichtum gegenüber, den ich dieser Stadt gebe. Während deine törichte Stimme nur Katastrophen anlockt. Wenn du verstehen könntest, würde ich dir erklären, dass es nicht leicht ist dieses Boot zu steuern. Glaub mir der Honig der Macht entschwindet unmittelbar. Ich habe nicht das Gehör, um alle zu hören, ich habe nicht auf alle Beschwerden Antworten, auch Gott verfährt selektiv. Ich kann mich nur um die Angelegenheiten der Mehrheit kümmern. Sprich Maßnahmen die das Überleben von Theben gewährleisten. Deshalb ist mein Maßstab das Gesetz. Es gilt für alle. Und ich werde deine Missachtung nicht erlauben.

ANTIGONE: Dein Argument ist dein Gesetz. Ein prostituiertes Gesetz, unter dem sich jener schützt, der es sich leisten kann. Es ist nicht Gesetz, was von einem einzelnen Mann gemacht wurde. Ich fordere Gerechtigkeit von dir.

KREON: Und von dir fordert diese Stadt dein Schweigen. Theben kennt dich nicht mehr, und Du bist nicht mehr seine Tochter. Es stößt Dich heraus aus seinem Schoße wie die Pest, die alles beschmutzt, wie alles Schlechte.

ANTIGONE: Wer ist es, der mich ausstößt? Seit Du regierst, hat sich die Anzahl der Frauen, die diese Stadt bewohnen verringert, und nimmt weiterhin ab.

KREON: Wessen beschuldigst Du mich?

ANTIGONE: Der Missachtung, der Gleichgültigkeit und der Komplizenschaft. Es ist egal, wenn es nicht deine Hände sind, die sich um den Hals legen. Es ist dein Wille, der das Blut der Frauen vergießt, für die Du natürlich nicht regierst.

KREON: Was willst Du andeuten?

ANTIGONE: Ich deute nichts an. Hör gut zu, was ich Dir sage. Du bist der Verantwortliche für die Straflosigkeit, unter der dieser Genozid begangen wird.

KREON: Du bist unerbittlich mit Beschuldigungen. Hast Du keine Angst?

ANTIGONE: Und Du?

KREON: Wenn ich ein gewöhnlicher Tyrann wäre, hätte ich Dir schon vor einiger Zeit die Zunge ausgerissen, Dir die Glieder zerschmettert oder Dich in eine Grube geworfen. Aber Du siehst in meinen Augen etwas, das zögert, deshalb machst Du Dich lustig, und greifst mich solange an, wie Du kannst. Wohin willst Du damit kommen?

ANTIGONE: Lass mich los!

KREON: Ich bin der stärkere.

ANTIGONE: Wirklich? Weißt Du, was ich in deinem Blick entdecke? Angst... große Angst. Deshalb bringst Du mich nicht gleich um. Vielleicht ist es bequemer eine Antigone lebendig, aber still zu behalten.

KREON: Sei ruhig!

ANTIGONE: Du willst mich zum Schweigen bringen, aber du trinkst meine Worte hier förmlich, weil Du weißt, dass ich recht habe. Denkst du, ich sehe es nicht in deinen Augen, dass Du es weißt? Du weißt, dass ich recht habe! Aber Du wirst es nie zugeben, weil Du deine Macht wie ein Raubtier verteidigst.

KREON: Zum letzten Mal: Sei still! Ich befehle es Dir!

ANTIGONE: Armer Kreon! Mit den kaputten und schmutzigen Nägeln, mit den blauen Flecken, die deine Wachmänner mir zugefügt haben, mit meiner Armut ... bin ich Königin.

KREON: Also habe Mitleid mit mir. Zwinge mich nicht, Dich zu töten.

ANTIGONE: Es gibt keine größere Stärke als die Würde. Habe Erbarmen mit dieser Stadt und mit Dir selbst, denn trotzdem kannst Du nicht vor der Katastrophe entfliehen. Du weißt, dass Du lügst, wenn Du eine glückliche Zukunft versprichst. Es reicht den Himmel anzusehen, um zu verstehen, dass Chaos uns hier umgibt ... behaupte deine Macht nicht auf Kosten des Blutes ...ich flehe dich an, gib mir meine Schwester zurück.

KREON: Hier hast Du sie, diese oder eine andere, ich kann es nicht wissen. Es ist egal. Erde sind wir und zu Staub werden wir. Wenn weder Du noch ich hier sein werden, wird man immer noch von der Größe Thebens sprechen.

ANTIGONE: Man wird von Blut sprechen. Von deinen Abscheulichkeiten und von den Abscheulichkeiten, die Du erlaubt hast. Die Geschichte wird dich Verräter deines Volkes taufen und Du wirst die Hintertüre nehmen durch die Tyrannen gehen.

KREON: Was weißt du von Politik? Du bist eine Frau und stützt dich darauf um meine Wut zu bremsen. Wenn es nicht darum ginge, dass meine Hand nicht das Herz meines Sohnes Hemon brechen kann. Mit deinem lächerlichen Gerede der traurigen Schwester, hast Du es geschafft, dass ich Dir für heute erlaube, von hier auf eigenen Füßen zu verschwinden und dass ich deine Beleidigungen vergesse. Der Hass ist nicht mir, aber sei vorsichtig, eine solche Gelegenheit gebe ich Dir nur einmal...

ANTIGONE: Du bist töricht Kreon, dein Herz hat alle Menschlichkeit verloren. Du hast nie verstanden, dass Du diejenigen zum Tode verurteilst, die schon tot sind. Warum sollte man deine Strafe fürchten? Hör doch zu. Seit dem Tag an dem sie meine Schwester getötet haben, bin ich auch tot!


XIV. Szene:

Die Alternativen des Kreon

KREON: Warte.

VICTOR: Ihre Frau hat sehr aufgebracht angerufen, sie meint, sie wüsste nicht, was sie der Presse erzählen solle.

KREON: Sie soll still sein!

KREON: Was denken Sie, Victor?

VICTOR: Hm... dass wir zu viel Risiko eingehen.

KREON: Fahre fort.

VICTOR: Mir macht es Sorgen, dass dieser ganze Skandal bereits die Grenzen von Theben überschritten hat. Die internationale Presse ist unbezähmbar. Unsere Verbündeten in Argos haben mich heute früh sehr beunruhigt angerufen, wegen dem was hier geschieht. Sicherlich sind auch unsere Verhandlungen bedroht...

KREON: Was schlagen Sie vor?

VICTOR: Es ist dringend notwendig das Schweigen zu brechen. Wir müssen Mitteilungen veröffentlichen, die die verschiedenen Versionen, die über die Situation im Umlauf sind, dementieren. Vor allem müssen wir vor unseren Verbündeten Sicherheit und Optimismus zeigen. Wenn Sie es mir erlauben, sorge ich dafür, dass Artikel zu unseren Gunsten in den wichtigsten Tageszeitungen von La Beocia veröffentlicht werden.

KREON: Machen Sie das.

VICTOR: Das nächste wäre einige wichtige Militärs zu ersetzen.

KREON: Das ist unmöglich in diesen Zeiten des Krieges!

VICTOR: Zumindest diejenigen, die von den Thebern am meisten verabscheut werden.

KREON: Wenn ich das mache, gehen unsere Allianzen kaputt und wir verlieren die Kontrolle! Alles wird ausufern.

VICTOR: Es wird nicht so sein, wenn wir uns mit den Generälen verbünden, nur um sie aus der Schusslinie zu bewegen. Vielleicht fühlen sie sich auf einem anderen Posten sogar beruhigter. Es gibt schon zu viele offene Fragen über sie.

KREON: Ich werde darüber nachdenken.

VICTOR: Und in Hinblick auf diese Frau und die anderen... sehe ich zwei Wege.

KREON: Welche?

VICTOR: Eine Annäherung herbeizuführen. Wir könnten ein spezielles Tribunal ins Leben rufen, dass sich um diese Angelegenheit kümmert, damit wir uns nicht mehr auf eine direkte Weise damit beschäftigen müssen. Auch unter den Unzufriedenen gibt es welche die darum bitten, wir könnten ihnen diesen Gefallen tun. ... Zumindest würden wir Zeit gewinnen.

KREON: Und was mache ich mit Antigone?

VICTOR: Gesetz ist Gesetz. Mir scheint es, als wenn Sie zu nachgiebig sind. In der jetzigen Situation ist derjenige der nicht mit uns ist, gegen uns. Diese Frau ist bestrebt, Beweise vorzuzeigen, die uns ruinieren. Ob sie es will oder nicht, sie gibt unseren Feinden Argumente. Wer so verfährt, kann nur ein Verräter sein und verdient die ganze Härte des Gesetzes. Und wenn das Gesetz nicht angewendet wird, sollten wir zumindest dafür sorgen, dass ihr krimineller Wagemut ein Geheimnis bleibt.

KREON: Fürs erste kümmern Sie sich um den Wachmann und die Mitteilungen. Über alles weitere werde ich nachdenken.

VICTOR: Mit Ihrer Erlaubnis.

KREON: Danke, Victor.


XV. Szene:

Hemon steht seinem Vater gegenüber. Und entscheidet sich für Antigone.

KREON: Schau mich nicht so an.

HEMON: Wie?

KREON: Suchst Du deinen Vater? Oder kommst du in der Rolle eines Verliebten, um für die persönlichen Angelegenheiten von der eintreten, die es wagt mich vor der ganzen Stadt herauszufordern?

HEMON: Das ist die Angelegenheit, die mich zu Dir führt. Und ich hoffe, dass ich Dir als Sohn nicht missfalle, wenn ich Dich als Regierungsmitglied über das Gerede informiere, das im Umlauf ist.

KREON: Geh weg von hier du Respektloser. Es fehlt nur noch, dass Du die Stimme zur Freude meines Feindes erhebst.

HEMON: Vater, Du musst mir zuhören. Als dein Sohn ist es meine Pflicht, Dich zu informieren. In der Stadt herrscht ein tiefes Unbehagen. Allein vor deinem Namen zittert das Volk. Betrüge Dich nicht selbst, deine Berater werden Dir nichts sagen. Draußen herrscht Sturm und sie sagen Dir, dass es sich um eine leichte Brise handelt.

KREON: Welcher Bürgermeister hat niemanden, der ihn verleumdet? Meine Feinde sind sich uneinig bis zum Missmut. Die einen regen sich über die Steuern auf, andere über die Gewalt, und mehr noch über die Arbeitslosigkeit. Jeden Tag höre ich ihr Schimpfen. Dank meiner Autorität und meiner Macht halte ich sie zusammen und zur gleichen Zeit getrennt. Aber wenn ich mich unsicher oder unentschieden zeigen würde, wäre jeder bereit, die Macht an sich zu reißen.

HEMON: Diese große Kraft und dieser Mut, dieser große Gott, der mich in seinen Armen getragen und mich vor den Monstern und Schatten gerettet hat, warst das Du?

KREON: Ja, Hemon.

HEMON: All diese Bürger, all dieser Stolz, all diese Liebe, um an diesen Punkt zu gelangen?

KREON: Ja.

HEMON: Das ist nicht wahr. Vater, das bist nicht Du. Nicht heute. Wir stehen nicht gemeinsam vor dieser Mauer der Angst. Du bist immer noch so mächtig, wie damals als ich klein war. Ich bin zu einsam und die Welt wird zu kahl, wenn ich dich nicht mehr bewundern kann.

KREON: Verurteile mich nicht, Hemon. Nicht Du auch noch. Wir sind allein, Hemon. Die Welt ist nackt. Und Du hast mich zu lange bewundert. Dennoch erlaubte ich mir, ihr diesmal zu vergeben, in Anbetracht der Liebe die ich dir als Vater entgegenbringe. Wenn es nicht für Dich gewesen wäre, hätte ich niemals von der Befolgung des Gesetzes, das ich selbst eingeführt habe abgesehen. Aber es wird kein zweites Mal geben.

HEMON: Dann bestrafe die an diesen Morden Schuldigen und gebe den Angehörigen die Leichen. Denn es ist sicher, dass Antigone auf ihr Bestreben besteht.

KREON: Jetzt denke ich nicht mehr als dein Vater, und sie wird die versprochene Strafe bekommen.

HEMON: Vater, es ist nicht nur sie. Die ganze Stadt schreit nach Gerechtigkeit, aber aus Furcht verstummen sie. Erwarte nicht, dass sie vor dich treten um deinen Zorn zu suchen. Aber bedenke, sollten sie es wagen, werden sie nicht kommen um deine Gründe zu ersuchen, sondern um deinen Kopf fordern.

KREON: Nun, meine Hand wird sich unerbittlich zeigen.

HEMON: Vater du hast verloren, zeige deinem Volk nicht weiterhin den Rücken.

KREON: Hast du das alles etwa geglaubt? Wer ist denn das Volk? Für wen regiert man? Mit wem regiert man? Mein armer Sohn, Du bist so naiv. Dieser Mann, den du hier siehst, wachte eines Tages auf und war König von Theben und das bedeutet alles. Ich werde nicht das Volk fragen wie man regiert. Ich gebe die Befehle wie es mir passt. Anders wäre es, als wenn die Pferde die Kutschen führen und den Kutscher mitschleifen.

HEMON: Wenn sie den Gestank des Todes fühlen, der dieser Stadt anhaftet, könnten sie scheuen und erschreckt, samt Kutsche und Kutscher in eine Schlucht fallen.

KREON: Drohst Du mir?

HEMON: Nein. Ich fürchte mich nur für dich.

KREON: Du fürchtest, dass dein Bett leer bleibt.

HEMON: Das ist es, was ich Dummheit nennen würde, wenn es nicht von meinem Vater käme.

KREON: Und ich würde sagen, dass das, was Du sagst, eine Unverschämtheit ist, wenn es nicht vom Sklaven dieser Frau käme.

HEMON: Ich ziehe es vor der Sklave einer Frau zu sein, als deiner.

KREON: Endlich hast Du es zugegeben und jetzt kannst Du es nicht mehr widerrufen.

HEMON: Ich denke auch nicht daran.

KREON: Sieh dich an! Und tritt mir nicht wieder unter die Augen.

HEMON: Zittere nicht. Nun wirst Du niemanden mehr sehen, der sich Dir entgegenstellt. Übrigens, im Leichenhaus sah ich mehr als zweihundert Frauenleichen. Wirst du sie weiterhin verleugnen?


XVI. Szene:

Der Rechtsspruch

KREON: Victor!

VICTOR: Wie kann ich Ihnen helfen?

KREON: Das Gesetz soll ausgeführt werden.

VICTOR: Sind Sie sicher, mein Herr? Ich sah Ihren Sohn sehr aufgeregt hinausgehen, vielleicht wäre es vernünftig zu warten.

KREON: Es gibt kein anderes Mittel mehr. Mein Sohn wird es schon verkraften. Das geringste Übel. Kümmern Sie sich um alles.


XVII. Szene:

Die Exekution.

HEMON: Weise mich nicht zurück. Ich bin hier und ich gehöre mit allem dir. Du hast keine Wahl, denn nun werde ich dich nicht mehr verlassen. Akzeptiere mich, wie deinen Schatten.

ANTIGONE: Was sagst du?

HEMON: Hier sind meine Arme, damit Du Dich von deinem Leid erholen kannst. Hier ist mein Herz, so rein wie in dem Moment meiner Geburt. Hier gebe ich Dir meine Adern durch die keine Vergangenheit mehr fließt. Ich bin hier, um für Dich neu auf die Welt zu kommen, der Wahrheit deiner Stimme zu folgen wohin Du willst. Nun, zögere nicht. Uns bleibt so wenig Zeit.

ANTIGONE: Ich liebe Dich.

HEMON: Was hast Du gesagt?

ANTIGONE: Dass ich Dich liebe.

ANTIGONE: Ich liebe Dich, ich liebe Dich ... für immer.


XVIII. Szene:

Die Hoffnungslosigkeit und die Frage.

ANTIGONE: Du trägst Trauer meine Stadt. Du musst Trauer tragen. Sie haben alle Hoffnung getötet. Das Gesetz hat Dich verlassen. Das einmalige Gesetz, das die Schwester des Lebens und der Liebe ist, damit sich die Seile verweben, die uns vereinen. Deine verräterischen Regierenden haben Dich der Schmach übergeben, bereichern sich an deiner Misere. Und zufrieden mit deinem Leid und deinen Tränen, wollen sie auch noch das Blut deiner Töchter und Söhne. Sie wollen Dich durch Schrecken brechen, Dich mit Grauen unterwerfen, bis Dir keine Ort mehr in deiner Seele bleibt, der nicht zittert, bis die Stimmen des Protestes nicht mehr verstummen. Bis du aus eigenem Willen Sklavin bist. Weine um deine Sünden und die Sünden derjenigen, die Dich regieren. Und erlauben, dass der Sand dein eigenes Blut trinkt. Die Gerechtigkeit hat Dich verlassen. Merkst du es? Es gibt keine Gerechtigkeit. Und es wird sie nicht geben bis alle deine Bürger - alle, hörst Du? - die Schuld dieser Verbrechen rein waschen. Bis all deine Söhne bittere Tränen für die Toten der Wüste weinen.


 

Übersetzung des Dramas AntigonA von Perla de Rosa mit freundlicher Erlaubnis der Autorin.

ÜbersetzerInnen Andrea Böttcher und Daniel Tapia

Aufgeführt am 17.November 2006 in der Kranhalle des Feierwerkes zu München.

 

AntigoA

 

 

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