"AKIesAYA"
Am 17. und 18. November 2006 präsentierten das Theaterkollektiv »Telon de Arena« in Zusammenarbeit mit dem Dokumentarfilm–Kollektiv »Malavida Producciones« und dem Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. das Festival »AKIesAYA« (hier ist dort) als Münchner Teil eines gleichnamigen Vernetzungsprojekts.
Dieses Vorhaben ist Teil der Kampagne »Ni una Mas! Die Frauenmorde in Ciudad Juárez stoppen«.
An den beiden Abenden stellten die Gäste aus Ciudad Juárez mit verschiedenen künstlerischen Darstellungen ihre Wahrnehmung der stigmatisierten Stadt, in der sie leben vor. Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt sich das oeku-buero mit den Frauenmorden in der Grenzstadt zwischen den USA und Mexiko. Über den Hintergrund dieser Gräueltaten wird viel spekuliert. Wir sind der Meinung, dass wir nur dann verstehen, was dort passiert, wenn wir etwas vom Alltag in dieser Stadt kennen. Ciudad Juárez wurde vom Neoliberalismus zu einem seiner wichtigen Produktionszentren gemacht. Wegen der Ansiedlung zahlreicher Billiglohn-Fabriken (Maquilas) wurde die Stadt als Vorzeigemodell der Entwicklung für Mexiko dargestellt. Dieses Entwicklungssystem hat jedoch die Menschen vergessen.
Ausstellung von Fotografien von Guadalupe de la Mora |
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Perla de la Rosa: »Antigone - Stimmen, die die Wüste entflammen«, eine Analogie auf die verschwundenen Frauen in Ciudad Juárez. |
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Angel Estrada: »Tierra Prometida« über Ciudad Juárez |
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»Was tun gegen die Frauenmorde?« |
Fotoausstellung
Das, aus Gründen der Machtpolitik und des Images tabuisierte Thema der Frauenmorde in Ciudad Juraéz wirft Guadelupe de la Mora mit ihren Schwarzweißfotografien von Trauer tragenden Frauen in Sandwüstenlandschaft auf. Die Fotos werden auf kunstgefischtem Papier ausgestellt, dessen Netzstrukturen Assotiationen an Baheriquewandkonstruktionen wecken.
Theater
„Antigone - Stimmen, die die Wüste entflammen“, eine Analogie auf die verschwundenen Frauen in Ciudad Juárez.
Das Ensemble Telón de Arena inszeniert das Theaterstück »Antigone - Stimmen, die die Wüste entflammen«, eine Analogie auf die verschwundenen Frauen in Ciudad Juárez.
Perla de la Rosa ist Autorin dieses Stücks, welches auf dem griechischen Mythos der Antigone, Tochter des Ödipus basiert. Antigone stellt sich dem Tyrannen Kreon in den Weg stellt, weil dieser angeordnet hat, ihren Bruder Polyneikes nicht zu begraben, sondern ihn in der Wüste liegen zu lassen. Es diskutiert das Recht der Bürger, von ihrer Regierung Rechenschaft einzufordern.
„Ich nahm den klassischen Mythos von Antigone und übertrug ihn in die Gegenwart von Juárez, wo sie ihre Schwester sucht, unbestattet, in der Wüste zurückgelassen. Dies führt dazu, dass sie sich mit dem Tyrannen Kreon auseinandersetzt, der die Morde an den Verschwundenen leugnet“, erläutert Perla de la Rosa, die auch Regie führt.
Die Inszenierung versucht eine Reflexion über Gesetz und Gerechtigkeit, aus einer fernen Vergangenheit überbracht und in unsere Zeit adaptiert wird.
„Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Gesetz oftmals nicht gerecht ist, so wie Kreon ein Gesetz erlässt, das besagt, dass diejenigen, die dem Bild der Stadt schaden, zum Tode verurteilt werden. So haben alle zu den Verbrechen, die dort geschehen, zu schweigen“, betont sie.
Das Szenario zeigt die griechische Stadt Theben. Die Zuschauer können eineinhalb Stunden lang sehen, wie Antigone sich mit dem Tyrannen anlegt und Gerechtigkeit fordert, damit die Mörder ihrer Schwester bestraft werden.
„Während des ganzen Stückes treten wir in einen Dialog zwischen dem Vergangenen und der Zukunft, um über die Gegenwart zu sprechen, in der die Protagonistin die Stimmen aller Frauen repräsentiert, die in Theben verschwunden sind“ deutet De la Rosa an.
Die SchauspielerInnen, die in diesem Stück mitwirken, sind Lucy Delgado, Amalia Molina, Marco Antonio García, Gabriel Reyes, Cecilia Bueno, Gabriela Beltrán, Liliana González u.a.
„Wir sind insgesamt elf SchauspielerInnen, alle mit viel Erfahrung, so dass die Leute sicher sein können, dass ’Antigone, Stimmen, die die Wüste entflammen’ ihnen einen kräftigen Geschmack im Mund hinterlässt“, stellt sie klar.
Mit Originalmusik von Luis Maguregui und Kleidern, die den antiken Roben aus dem mittleren Orient ähneln, verfolgt die Ästhetik des Stücks ein sehr einfaches Konzept: „Wir erreichen einen Gedankengang durch die Ereignisse, mit szenischen Elementen, die uns von der Gegenwart entfernen, aber mit Texten die uns unvermeidbar zur Reflexion des aktuellen Geschehens in unserer Stadt bringen“, verspricht Perla de la Rosa.
„Antigone - Stimmen, die, die Wüste entflammen“ ist eine gute Möglichkeit, Theater mit einem aktuellen Thema zu genießen, ein Stück, welches die ZuschauerInnen ohne Zweifel bis zum letzten Moment den Atem anhalten werden lässt.
Dokumentarfilm
Angel Estrada: Tierra Prometida
Der Dokumentarfilm „Tierra Prometida“ zeigt die Wünsche und Hoffnungen einer Familie von BinnenmigrantInnen, die in Anapra, einem armen Stadtteil von Ciudad Juárez, leben. Anapra ist eine marginalisierte Zone auf der mexikanischen Seite der Grenze zu den USA. Aus Gründen, die sie nicht beinflussen konnten, befinden sich die drei Geschwister in einem bisher unbekannten sozialen Kontext mit vielen Hindernissen, aber auch Möglichkeiten. Ein gelobtes Land, die sie zum neuen Anfang verpflichtet.
Viele der Opfer der Frauenmorde lebten in Anapra. Viele Dokumentarfilm-AutorInnen haben Filme über die Frauenmorde in Anapra gedreht, in denen es um die Erinnerung an die ermordeten bzw. verschwundenen Frauen geht. Zweifellos ein sehr wichtiges Anliegen.
Der Regisseur Angel Estrada zeigt zum ersten Mal die Menschen aus Anapra, wie sie ihren Alltag leben, ohne sie als Opfer zu sehen und ohne Sensationalismus.
Angel Estrada ist einer der renommiertesten Dokumentarfilm-Autoren der Gegenwart in Mexiko. Seine Arbeiten, in denen er seine Stadt Ciudad Juárez durch das Dokumentieren von Lebengeschichten porträtiert, sind in Mexiko und im Ausland mit der Teilnahme an Festivals und mit Preisen anerkannt worden. Im Oktober gewannen zwei Arbeiten von Estrada jeweils den ersten und zweiten Preis des Internationalen Filmfestivals von Chihuahua.
Podiumsdiskussion
Was tun gegen die Frauenmorde?
Die KünstlerInnen, die wir eingeladen haben, vereint nicht nur, dass sie alle in Ciudad Juárez leben. Sie engagieren sich in ihrer Stadt gegen die Tatenlosigkeit der Behörden gegen die Frauenmorde. Gleichzeitig aber versuchen sie, durch den künstlerischen Einfluss auf ihr Umfeld eine präventive Arbeit zu leisten. Ihre Anwesenheit hier wird eine Verstärkung ihrer Stimme gegen die Straflosigkeit bedeuten.
Perla de la Rosa, Guadalupe de la Mora, Angel Estrada und Daniel Tapia (Mexiko-Referent des oeku-buero) stellten ihre Erfahrungen, über verschiedene Aspekte der Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit zu den Frauenmorden, vor.