Prozesseröffnung Heckler & Koch: 15. Mai 2018 in Stuttgart

Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko

Stuttgart, 11. Mai 2018

Prozess Heckler & Koch –

wie deutsche G36-Schnellfeuergewehre zu schweren Menschenrechtsverbrechen in Mexiko beitragen

Der südliche Bundesstaat Guerrero ist einer der Brennpunkte der Gewalt Mexikos. In dem von Präsident Calderón 2006 erklärten „Krieg gegen das Organisierte Verbrechen“ ist dieser Bundesstaat ebenso wie zahlreiche weitere stark militarisiert worden. Dies hat die bereits damals kritische Menschenrechtslage erheblich verschärft.

In der Nacht vom 26. September 2014 wurden in Guerrero 43 Studenten der Lehramtsuniversität Ayotzinapa durch die örtliche Polizei verschleppt, sechs Menschen wurden während der Auseinandersetzungen getötet und weitere 40 Personen schwer verletzt. Dabei wurden von den Sicherheitskräften nachweislich G36 Schnellfeuergewehre aus deutscher Herstellung eingesetzt. Diese hätten jedoch laut der erteilten Exportgenehmigung an Heckler & Koch nie in den Bundesstaat gelangen dürfen. Bereits 2011 waren in Guerrero zwei Studenten bei einer Demonstration von der Polizei erschossen worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Polizisten mit Schnellfeuergewehren vom Typ G36 bewaffnet waren.

Der Fall der 43 Studenten von Ayotzinapa ist bis heute nicht aufgeklärt. Er führte nicht nur zu massiven Protesten der Bevölkerung gegen das repressive Vorgehen der mexikanischen Sicherheitskräfte, sondern trug auch dazu bei, dass die Weltöffentlichkeit von der Praxis des systematischen Verschwindenlassens von Personen in Mexiko erfuhr.

Über 35.000 Menschen gelten seit 2006 laut offiziellen Angaben als verschwunden. Ihr Verbleib wird in der Regel nicht aufgeklärt, die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen.

Die Ermittlungen eines international besetzten Expertengremiums ergaben 2016 neue Erkenntnisse im Fall, denen die mexikanische Staatsanwaltschaft hätte nachgehen können. Doch der mexikanische Staat hält bis heute an seiner Version des Tathergangs fest. Demnach habe die örtliche Polizei die Studenten einer kriminellen Bande übergeben, welche die Opfer auf der örtlichen Müllhalde verbrannt habe. Diese These ist jedoch wissenschaftlich widerlegt.

Die mexikanische Staatsanwaltschaft sieht sich im Zuge ihrer Ermittlungen mit Foltervorwürfen konfrontiert. Laut eines kürzlich veröffentlichten Berichts des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Mexiko verfolgen mexikanische Ermittlungsbehörden, anstatt Beweismaterial zu sammeln, die Praxis, durch Folter Geständnisse von Tatverdächtigen zu erzwingen. 34 von insgesamt 129 in Verbindung mit dem Verbrechen verhaftete Personen gaben an, während der Verhöre gefoltert worden zu sein.

Hier in Deutschland soll der Prozess in Stuttgart vor allem klären, ob mit dem Export von tausenden G36 Gewehren zwischen 2006 und 2009 in mexikanische Bundesstaaten wie Guerrero aufgrund fehlender Exportgenehmigung gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen wurde. Damit wäre auch die direkte Mitverantwortung eines deutschen Waffenherstellers sowie der zuständigen bundesdeutschen Behörden an schweren Menschenrechtsverletzungen in Mexiko erwiesen. Der Bundesregierung war die prekäre Menschenrechtslage im gesamten Land bekannt. Die Exportbeschränkung der G36 Schnellfeuergewehre auf einige besonders konfliktive Bundesstaaten war auch damals aus menschenrechtlicher Sicht nicht haltbar. Vielmehr deutet es daraufhin, dass eine vermeintliche Kompromisslösung gefunden werden sollte, um die Exporte zu ermöglichen.

Es dürfen keine Rüstungsexporte nach Mexiko genehmigt werden, wenn ein Risiko besteht, dass diese dort für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden oder diese begünstigen. Die Deutsche Menschenrechtskoordination fordert, verstärkte und systematische Kontrollmechanismen über den Verbleib und die Nutzung von deutschen Waffenexporten durch deutsche Behörden.

Der Strafprozess gegen Heckler & Koch stößt in Mexiko auf großes Echo: Bei herrschender Straflosigkeit für die systematischen Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte kann er den Angehörigen der Opfer sowie Menschenrechtsorganisationen dazu dienen, ihre Forderung nach lückenloser Aufklärung des Falles Ayotzinapa mit rechtsstaatlichen Methoden zu stärken, damit die Angehörigen endlich erfahren, was mit ihren Söhnen geschehen ist.

Darüber hinaus steht die Untersuchung und Ahndung nach den Tätern in den über 35.000 Fällen von Verschwundenen in Mexiko aus. Der Fall Heckler & Koch bringt Deutschland in eine besondere Verantwortung, was die Aufklärung der Fälle angeht. Die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko fordert die deutsche Regierung dazu auf, diesbezüglich Stellung zu beziehen und entsprechenden politischen Druck auf Mexiko auszuüben.

pdf Download Stellungnahme (292 KB)

Pressekontakt:

Carola Hausotter, Koordinatorin des Netzwerks „Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko“

Fon: +49 (0)711 57 64 68 79

Email: info@mexiko-koordination.de

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