Mexiko: Bundesstaat Oaxaca legalisiert Abtreibung

Zweiter Bundesstaat in Mexiko erlaubt Frauen Schwangerschaften bis zur 12. Woche ohne weitere Einschränkungen abzubrechen
Von Sonja Gerth, Citlalli López Velásquez
amerika21

Oaxaca de Juárez. Im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca hat das Parlament den Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche ohne Angabe von Gründen legalisiert.

Die Besucherbänke waren während der Abstimmung im Kongress am 25. September prall gefüllt: Mit Feministinnen, die mit den grünen Dreieckstüchern der "Marea Verde" ihre Unterstützung für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper zum Ausdruck brachten ‒ und mit der Gegenbewegung in hellblau, Abtreibungsgegnern und religiösen Gruppen, die sich gegen die Legalisierung wandten.

Das Projekt einer Gesetzesänderung war in Oaxaca möglich geworden, nachdem die Regierungspartei Morena von Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) im Jahr 2018 eine breite Mehrheit im Parlament des Bundesstaates gewonnen hatte. Obwohl Morena sich als linksliberal sieht, gibt es keineswegs eine einheitliche Linie der Partei in punkto reproduktive Rechte der Frau. In anderen Bundesstaaten wie in Nuevo León waren es unter anderem Abgeordnete von Morena, die den "Schutz des Lebens ab dem Zeitpunkt der Empfängnis" in der Landesverfassung verankerten. López Obrador selbst hat sich nie zur Abtreibung positioniert.

Im Jahr 2007 hat der Distrito Federal, Mexiko-Stadt, als erster mexikanischer Bundesstaat den Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche ohne Angabe von Gründen straffrei gestellt. Oaxaca, im Südwesten des Landes, ist zwölf Jahre danach zum zweiten Bundesstaat geworden, der die Abtreibung erlaubt. Insgesamt hat es seit der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Mexiko-Stadt eine konservative Gegenbewegung in den meisten Bundesstaaten gegeben, 19 von ihnen haben seit 2007 restriktive Regelungen in ihre Verfassungen aufgenommen, auch Oaxaca. Daher war die Abstimmung mit großer Spannung erwartet worden.

Mit 24 Ja- und 12 Nein-Stimmen wurde die Strafrechtsreform schließlich beschlossen. Auf der Bühne und vor dem Parlament brachen die Unterstützerinnen der Legalisiereung in Jubel aus. "Es ist sehr wichtig, den säkularen Staat zu verteidigen. Wir haben eine historische Schuld gegenüber den Frauen, insbesondere in Oaxaca. Unser Staat kann nun zum Vorbild für andere Bundesstaaten werden", erklärte Rosy Simón, Beirat des Nationalen Fraueninstituts, gegenüber der Nachrichtenagentur Cimacnoticias.

Auch Nelly Martínez, Koordinatorin des Lateinamerikanischen und Karibischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Frau (Cladem), sprach von einer ausstehenden Schuld: "Dafür kämpfen wir seit vielen Jahren. Wir hoffen, dass die Justizorgane und das Gesundheitsministerium verstehen, dass es keine Verzögerung geben sollte, um Schwangerschaften bei Mädchen und Jugendlichen infolge systematischer Gewalt zu unterbrechen." Viele nationale Frauen- und Menschenrechtsorganisationen gratulierten dem Landesparlament zu seiner Entscheidung.

Die außerdem auf dem Sitzungsplan stehende Verfassungsänderung, den "Schutz des Lebens ab der Empfängnis" betreffend, wurde indes um eine Woche verschoben. Abtreibungsgegner hatten auf der Zuschauertribüne einen solchen Tumult veranstaltet, dass die Sitzung unterbrochen wurde. Nach Ansicht von Frauenrechtlerinnen muss der Bundesstaat durch die Strafrechtsreform allerdings trotzdem das Recht auf Abtreibung garantieren.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in den meisten mexikanischen Bundesstaaten nur nach einer Vergewaltigung erlaubt. Weitere Ausnahmen sind medizinische Gründe, wie Gefahr für das Leben der Mutter. Frauenrechtsorganisationen wie Gire (Grupo de Información en Reproducción Elegida) zufolge sind es vor allem arme Frauen ohne Zugang zum Gesundheitssystem, die durch die bisherigen Verbote kriminalisiert werden. Oaxaca ist einer der ärmsten Bundesstaaten und hat einen hohen Anteil an indigener Bevölkerung.

Die Müttersterblichkeitsrate in Mexiko ist hoch und lag 2018 nach offiziellen Angaben bei 35 pro 100.000 Lebendgeburten (in Deutschland waren es zuletzt 3,3). Ein Fünftel der Todesfälle wird laut Gesundheitsministerium durch versuchte Abtreibungen verursacht.

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