Gemeinsame Pressemitteilung von über 100 Organisationen aus Deutschland und Mexiko anlässlich des Mexiko Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 09. bis 10.06.2017

Stuttgart/ Berlin/ Mexiko, 8. Juni 2017

Menschenrechte als Priorität in den bilateralen Beziehungen


Die deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko (ein Zusammenschluss deutscher Nichtregierungsorganisationen, die zum Thema Menschenrechte in Mexiko arbeiten) und das bundesweite Netzwerk „Todos los Derechos para Todas y Todos“ (in dem über 80 mexikanische Organisationen vereint sind), haben einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. Wir fordern die Bundeskanzlerin darin auf, die alarmierende Krise der Menschenrechte gegenüber der mexikanischen Regierung bei ihrem Besuch in aller Deutlichkeit anzusprechen und zu einem zentralen Prüfstein für die Entwicklung und die Zukunft der bilateralen Beziehungen zu machen.

Die Zahlen sprechen für sich: 200.000 Menschen sind in Mexiko laut Angaben des Nationalen Statistischen Instituts INEGI zwischen 2006 und 2017 ermordet worden. Im selben Zeitraum wurden 126 Journalist*innen getötet, über 30.000 Menschen sind in den letzten 10 Jahren verschwunden.

Als wichtigste Ursache für die strukturelle Gewalt sehen internationale und regionale Institutionen zum Schutz der Menschenrechte -wie der UN-Hochkommissar für Menschenrechte und die Interamerikanische Menschenrechtskommission  die Straflosigkeit: Nur 1 – 2 % der Gewaltverbrechen werden aufgeklärt. Hauptgründe dafür sind mangelhafte Ermittlungsverfahren und die Verwicklung von Teilen des Staatsapparats, vor allem von Sicherheitskräften, in Menschenrechtsverletzungen.

Die unterzeichnenden deutschen und mexikanischen Organisationen erwarten daher, dass die Bundeskanzlerin internationale Initiativen unterstützt, die die strukturellen Ursachen der Menschenrechtskrise bekämpfen. Dazu gehört die Einsetzung eines mit Expert*innen besetzten „Beratenden Ausschusses gegen Straflosigkeit“, der die mexikanische Regierung bei der Entwicklung von Strategien und Reformen zur Stärkung der Untersuchungskapazitäten und der Strafverfolgung und zur Beseitigung der im Land vorherrschenden Straflosigkeit beraten soll. Dieser Vorschlag geht auf eine Empfehlung des UN-Hochkommissars für Menschenrechte zurück. Wir unterstützen diesen Vorschlag und halten es angesichts der wichtigen Rolle der Vereinten Nationen bei der Stärkung rechtsstaatlicher Institutionen für unabdingbar, dass internationale Expert*innen in diesem Ausschuss mitarbeiten. Ein Abkommen mit dem Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte wäre ein hierfür hilfreiches Instrument, welches zudem eine geregelte Beteiligung der Zivilgesellschaft vorsehen sollte.

Weiterhin halten wir es für fundamental, dass die von Mexiko angestrebte Transition der Generalstaatsanwaltschaft in eine unabhängige Staatsanwaltschaft nicht nur aus oberflächlichen Veränderungen besteht, sondern in einer nachhaltigen strukturellen Umwandlung zu einer unabhängigen Institution mündet. Bereits bei ihrem letzten Treffen mit dem mexikanischen Präsidenten im April 2016 hatte die Bundeskanzlerin ihre Unterstützung im Bereich der strafrechtlichen Ermittlungen und der Stärkung der Menschenrechte, insbesondere im Falle schwerer Menschenrechtsverletzungen, zugesagt.

Zudem erwarten wir von der Bundeskanzlerin eine klare unterstützende Haltung in Bezug auf den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen in Mexiko angesichts der zahlreichen Übergriffe, die in diesem Jahr mit den Morden an der Aktivistin Miriam Rodríguez, die sich für die Aufklärung von Fällen von Verschwundenen einsetzte, und dem Journalisten Javier Valdez, der Verbindungen zwischen dem Staat und der Organisierten Kriminalität aufgedeckt hatte, einen erneuten traurigen Höhepunkt gefunden haben.
Andererseits bitten wir die Bundeskanzlerin, die knapp zweitausend deutschen Unternehmen in Mexiko dazu aufzurufen, ihre menschenrechtliche Verantwortung anzuerkennen und ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachzukommen.

In diesem Zusammenhang fordern wir die deutsche Bundesregierung auf, bei den laufenden Neuverhandlungen des Globalabkommens, das den Handel und die politischen Beziehungen zwischen der EU und Mexiko regelt, dafür zu sorgen, dass wirksame Vorschriften zur Einhaltung und Förderung der Menschenrechte enthalten sind und Kooperationsmechanismen vereinbart werden, um die Straflosigkeit und Korruption in Mexiko zu bekämpfen.

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