Sechs Monate nach dem Mord an Berta Cáceres: Gerechtigkeit statt Komplizenschaft!

Weltweite Proteste gegen Straflosigkeit und für das sofortige Ende des Wasserkraftwerks “Agua Zarca”

Honduras: Sechs Monate der Empörung und der Forderung nach Gerechtigkeit für den Mord an Berta Cáceres

Foto: G.Trucchi REL-UITA

LA ESPERANZA-INTIBUCÁ (Giorgio Trucchi – Rel-UITA) Viele hundert Menschen folgten dem Aufruf des COPINH und demonstrierten auf den Straßen der Doppelstadt  La Esperanza und  Intibucá für Gerechtigkeit im Fall der Aktivistin für indigene Rechte Berta Cáceres, deren Ermordung auch nach sechs Monaten straflos blieb. 

Begleitet von den Trommeln und der bedingungslosen Solidarität der in OFRANEH organisierten  Garífuna-Bevölkerung wiederholten die Lenca-Gemeinden y und Familienangehörige von Berta Cáderes ihre Foderungen vor dem Rathaus von Intibucá und dem Justizpalast von La Esperanza. 

“Wir sind zutiefst empört. Sechs Monate sind seit dem Mord an unserer Koordinatorin vergangen und wir fordern immer noch eine unabhängige Untersuchungskommission, den sofortigen und endgültigen Abzug der Firma DESA, die Schließung des Projektes “Agua Zarca” und den Entzug der 50 Konzessionen für den Bau von Wasserkraftwerken auf Lenca-Gebiet. Wir fordern außerdem den Abzug des Militärs unserer Territorien und das Ende der Kriminalisierungg unserer Organisation. Wir betonen erneut, dass es sich um ein Verbrechen des Staates im Rahmen der Durchsetzung eines neoliberalen, patriarchalen und rassisischen Modelles handelt,” sagte Tomás Gómes, Interims-Koordinator des COPINH. 

Austra Bertha Flores, die Mutter der Ermordeten, fügte hinzu: “Wir können uns nicht mit der Verhaftung von fünf Auftragskillern zufrieden geben. Wir fordern, dass gegen diejeigen ermittelt wird, die den Mord an Bertita finanziert und in Auftrag gegeben haben. Sie müssen gefangengenommen und bestraft werden. Solange das nicht der Fall ist, bleibt der  Staat  Komplize der Straflosigkeit.” (Übersetzung: Öku-Büro)

 

PRESSEMITTEILUNG DES ÖKU-BÜROS: 

Sechs Monate nach dem Mord an der honduranischen Aktivistin Berta Cáceres:

Gerechtigkeit statt Komplizenschaft!

Bericht der Vereinten Nationen benennt Verantwortung von europäischen Banken und Unternehmen – Aktivist*innen protestieren vor dem Hauptsitz der Siemens AG in München und in weiteren Städten

MÜNCHEN/BERLIN (2. September 2016) – Sechs Monate nach der Ermordung der honduranischen Aktivistin und Menschenrechtserteidigerin Berta Cáceres erhebt sich erneut weltweit Protest. Tausende verlangen, dass Verwicklungen von Politik und Militär unabhängig aufgeklärt, materielle und intellektuelle Täter*innen vor Gericht gestellt werden. Banken und Unternehmen, die am Wasserkraftwerk „Agua Zarca“ beteiligt sind, müssten endlich ihre jahrelang ignorierte Verantwortung wahrnehmen und sich aus dem Projekt zurückziehen.

Berta Cáceres wurde am 2.März 2016 in ihrem Haus in La Esperanza ermordet. Sie war Koordinatorin und Mitbegründerin des Zivilen Rates der Basis- und indigenen Organisationen in Honduras (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras - COPINH). Sie setzte sich für die Rechte der indigenen Gemeinden der Lenca ein - unter anderem in der Region Rio Blanco gegen das Wasserkraftprojekt „Agua Zarca“. Dieses Projekt wurde ohne vorherige, freie, informierte und kulturell angemessene Konsultation vom honduranischen Parlament beschlossen. Die Firma DESA begann gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung mit den Bauarbeiten. Ein leitender Mitarbeiter der DESA sowie honduranische Militärangehörige und ein mutmaßlicher Auftragsmörder sind heute die Hauptverdächtigen im Mordfall Berta Cáceres.

Das deutsche Unternehmen Voith Hydro (ein Siemens-Joint-Venture) ist Zulieferer der Turbinen und weiterer technischer Ausstattung für das Projekt. Das Öku-Büro München hat Voith Hydro und Siemens wiederholt die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch das Projekt hingewiesen und schließlich auch vor den kriminellen Machenschaften der Vertragspartnerin DESA gewarnt. CEO Joseph Kaeser erklärte einerseits den Konzern als Minderheitsaktionär für nicht zuständig und verteidigte andererseits noch wenige Wochen vor dem Mord an Berta Cáceres, den Bau von „Agua Zarca“ als notwendig und legal.

 

UN-Bericht legt Ende des Projekts und Abzug des Militärs nahe 

 

Beobachter*innen befürchten nun, dass die beteiligten Unternehmen und Banken (federführend die niederländsiche Entwicklungsbank FMO) vorhaben könnten, sich mit einer simplen Umplanung des Projektes „Agua Zarca“ aus der Affäre zu ziehen. „Es wäre absolut inakzeptabel, dass damit eine von Beginn an rechtswidrige Konzession und jahrelanger Terror gegen die lokale Bevölkerung einfach vom Tisch gewischt werden,“ so Daniela Dreißig von der Menschenrechtskette Honduras (CADEHO). Darin sei der unlängst veröffentlichte Bericht der UN-Sonderberichterstatterin für indigene Rechte, Victoria Tauli-Corpuz ebenso eindeutig wie in der Forderung nach dem Schutz der Bevölkerung vor Ort, vor den weiter anhaltenden Übergriffen und Bedrohungen und dem einem Rückzug des Militärs aus der Region Rio Blanco.

 

Auswärtiges Amt muss unabhängige Untersuchung unterstützen

 

Andrea Lammers vom Öku-Büro München unterstreicht, dass auch die deutsche Politik Verantwortung trägt: “Sowohl die USA als auch die Europäische Union unterstützen eine unabhängige internationale Untersuchung des Mordes an Berta Cáceres. Wir haben aber den Eindruck, dass die deutsche Botschaft in Tegucigalpa offensichtlich bremst und unverständlicherweise weiter auf die honduranische Justiz vertraut. Diese Haltung erweckt den Eindruck, dass unbehelligte Geschäfte deutscher Unternehmen im Zweifel doch wichtiger sind als die Achtung der Menschenrechte. Wir fordern vom deutschen Außenministerium, dass es eine unabhängige, internationale Untersuchung unmissverständlich, mit dem nötigen Nachdruck und, wenn nötig mit finanziellen und personellen Ressourcen unterstützt.“

 

Weitere Informationen:

Bericht der UN-Sonderberichterstatterin Victoria Tauli-Corpuz vom 21. Juli 2016:

http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16740&LangID=E

Oxfam-Dossier zu Siemens: https://www.oxfam.de/system/files/factsheet_schmutzigegeschaefte.pdf

Artikel und Informationen zum Mord an Berta Cáceres und zu den Hintergründen:

https://www.theguardian.com/world/2016/jun/21/berta-caceres-name-honduran-military-hitlist-former-soldier

Aktuelles Radiofeature: 

https://www.freie-radios.net/portal/streaming.php?id=78685

 

 

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