Jahresbericht 2008:

Endlich Land in Sicht? Länderbericht El Salvador

Anfang 2009 stehen Wahlen in El Salvador an – möglicherweise von historischer Bedeutung. Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Obwohl er offiziell erst im November begonnen werden durfte, bestimmt er schon seit mehreren Monaten das politische Geschehen im Land. Noch nie war die linksgerichtete FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) einem Wahlsieg so nahe. Um so mehr wächst die Angst, dass die ultrarechte ARENA- Partei (Alianza Republicana Nacionalista) mit allen Mitteln versuchen könnte, den Wahlausgang doch noch zu ihrem Gunsten zu beeinflussen. Trotz der Beendigung des Bürgerkrieges vor 16 Jahren existieren im Land keine wirklich demokratischen Verhältnisse. Stattdessen setzte ARENA in den letzten vier Legislaturperioden ein neoliberales Programm durch, welches als eine seiner Konsequenzen die extreme soziale Ungleichheit im Vergleich zu den 60er Jahren noch verstärkte. Mit „Mega-Investitionsprojekten“ wird die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen gegen die Interessen der Bevölkerung vorangetrieben. In den letzten Jahren verstärkten sich die autoritären Tendenzen der Regierungspartei. Zunehmend versucht sie, Kritik und Protest mit brutaler Repression und mit unverhältnismäßigen Gesetzesverschärfungen zu unterdrücken. Doch nun stehen alle Zeichen auf „cambio“, den politischen Wechsel. Ein spannendes Jahr 2009 steht bevor.

„Cambio“-Stimmung

Die aus der Guerilla hervorgegangene und seit den Friedensverträgen von 1992 legale politische linksgerichtete Partei FMLN hat derzeit sehr große Chancen, die nächste Regierung zu stellen. Im Januar 2009 finden Parlamentsund Kommunalwahlen und zwei Monate darauf die Präsidentschaftswahl statt.

Die FMLN tritt mit dem gemäßigten, sozialkritischen Journalisten Mauricio Funes für die Präsidentschaftswahl an. Waren die bisherigen FMLN-Kandidaturen von Machtkämpfen geprägt, so zeigt die FMLN diesmal Geschlossenheit. Funes kommt nicht aus der FMLN und genießt durch seine jahrelange journalistische Arbeit ein sehr hohes Ansehen in der Bevölkerung. Für die Vizepräsidentschaft ist mit Salvador Sánchez Cerén ein Vertreter des orthodox-linken Flügels der FMLN aufgestellt. Er ist einer der Begründer der FMLN, gehörte während des Bürgerkrieges zur Kommandatur der Guerilla und hat die Friedensabkommen mit unterzeichnet. Heute ist er Mitglied der Comandancia General der FMLN. ARENA hingegen zeigte sich entgegen ihrer Gepflogenheiten bezüglich ihres Präsidentschaftskandidaten in der Öffentlichkeit zerstritten. Schließlich setzte der Kreis um den amtierenden Präsidenten Antonio Saca seinen Kandidaten Rodrigo Ávila durch. Ávila versucht sich als Kandidat des sozialen Wandels zu präsentieren und setzt in seiner Kampagne auf soziale Themen. Als ehemaliger Polizeichef, der privat Waffenhändler und Betreiber eines großen Sicherheitsunternehmens ist, fehlt ihm allerdings die Glaubwürdigkeit und der Rückhalt in der Bevölkerung. Funes hingegen versucht mit wirtschaftlichen Themen um die konservativen Stimmen im Land zu werben. Er setzt auf ein breites Bündnis mit allen Sektoren und kündigte die Bekämpfung der Korruption an, die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Steuerreform, die verstärkte Investitionen in soziale Bereiche ermöglichen soll. Doch bei entscheidenden Punkten steht er im Widerspruch zu bisherigen Positionen der FMLN. Hatte sie zum Beispiel Kritik am Freihandelsabkommen mit den USA CAFTA geübt und eine Überprüfung gefordert, so will Funes am Abkommen festhalten. Auch der Forderung von salvadorianischen Menschenrechtsorganisationen und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, das Amnestiegesetz von 1993 aufzuheben, hat er bereits widersprochen. Trotz aller und nicht allzu laut geäußerter Kritik an einigen Positionen von Funes stehen die FMLN sowie die sozialen Organisationen geschlossen hinter ihm, um einen Wahlsieg der FMLN zu erreichen.

Funes hat die Sympathien weiter Bevölkerungsteile hinter sich und liegt den Umfragen der Universitäten zufolge um etwa 15 Prozent vor Ávila. Allerdings scheint nicht nur die Person Funes bei der Bevölkerung zu punkten, sondern auch die FMLN mit ihrem Wahlprogramm. Auch sie kann Umfragen zufolge bei den im Januar stattfindenden Parlamentswahlen mit einer großen Mehrheit rechnen.

Angesichts des hohen Vorsprungs der FMLN vor ARENA mehren sich die Befürchtungen, dass ARENA ihre Regierungsmacht mit allen Mitteln verteidigen wird. In den letzten Monaten wurde das Wahlrecht so reformiert, dass es die rechten Parteien begünstigt und Wahlbetrug erleichtert. Alles deutet darauf hin, dass ARENA wieder mit Einschüchterungsversuchen am Arbeitsplatz und Stimmenkauf arbeiten wird. MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst ist bereits angekündigt worden, dass sie entlassen würden, sollte die FMLN gewinnen, ArbeiterInnen wird gedroht, dass ihre Fabrik geschlossen würde. Auch dieses Mal werden wohl „Tote wählen gehen“ und Bevölkerung aus den grenznahen Gebieten der Nachbarländer in von ARENA finanzierten Bussen zur Wahl anreisen. Allerdings, so die Einschätzung des Menschenrechtsanwaltes David Morales, wird der Wahlbetrug höchstens in einer Pattsituation den Wahlausgang für ARENA positiv beeinflussen. Es sei aber nicht möglich, den bisherigen Vorsprung der FMLN dadurch wettzumachen. Deshalb wächst die Furcht vor einer Intensivierung der traditionellen Angstkampagne seitens der ARENA. Diese Strategie wurde ARENA Anfang 2008 auch von einer Studie nahegelegt, die von der CSU-nahen bayerischen Hanns-Seidel-Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Darin wird empfohlen, die Wechselwähler durch eine Diffamierung der linken Opposition zu beeinflussen. Die Medien, welche fast alle in rechter Hand sind, lancierten wochenlang Schlagzeilen über angebliche Verbindungen der FMLN zu den kolumbianischen FARC und verkündeten, dass das Land ins Chaos stürzen würde, käme die FMLN an die Regierung. Außenpolitisch flankiert wurde diese Strategie durch die salvadorianische Außenministerin, die sich eine US-Intervention gegen „die Feinde“ erbat, welche die Sicherheitsinteressen der USA in Zentralamerika bedrohen würden. Diese Angstund Schmutzkampagne von ARENA hatte in den letzten Jahren den Wahlausgang immer entscheidend beeinflusst.Diesmal scheinen die immer gleichen Slogans allerdings bei der Bevölkerung nicht mehr so gut anzukommen.

Die Wahlen 2009 und die damit verbundenen politischen Perspektiven waren zentrales Thema beim diesjährigen Treffen der El Salvador-Solidaritätsgruppen. Eingeladen waren der Menschenrechtsanwalt David Morales und die Leiterin der Frauenorganisation Mélida Anaya Montes, Sandra Guevara (siehe Seite 46).

Menschenrechtssituation: Autoritäre Tendenzen und fortgesetzte Straflosigkeit

David Morales prangerte während seines Aufenthaltes in Deutschland an, dass sich die autoritären Tendenzen in El Salvador immer mehr verstärken. Die Vorjahre waren geprägt von einer Reihe von Gesetzesverschärfungen und von der Zunahme der Repression gegen die politische Opposition, MenschenrechtsaktivistInnen und soziale Bewegungen. So wurden bei einer Demonstration gegen die drohende Wasserprivatisierung im Juli 2007 in Suchitoto 14 Menschen festgenommen und aufgrund eines neuen Anti-Terror-Gesetzes angeklagt. Bis zu 20 Jahre Gefängnis drohten den Festgenommenen. Erstmals seit dem Bürgerkrieg wurde wieder von politischen Gefangenen gesprochen. Die daraufhin einsetzende Welle an Solidaritätsbekundungen aus dem In- und Ausland mit den Gefangenen überraschte sowohl UnterstützerInnen als auch die politischen MachthaberInnen. Das Ökumenische Büro organisierte damals die Solidaritätsaktionen aus Deutschland (vergleiche Jahresbericht 2007). Da ein Sondertribunal keine Hinweise auf eine terroristische Betätigung finden konnte, wurde die Anklage auf Landfriedensbruch geändert. Im Februar 2008 wurden die Angeklagten schließlich freigesprochen, nachdem die Staatsanwaltschaft nicht zur Verhandlung erschienen war. Diese versuchte im Anschluss noch Widerspruch gegen das Urteil einzulegen, hatte aber keinen Erfolg damit.

Derart offene und brutale Repression wie im Jahr 2007 konnte sich ARENA 2008, wenige Monate vor den entscheidenden Wahlen, nicht leisten. Doch nach Einschätzung von David Morales würde die Repression sicher wieder verstärkt werden, wenn ARENA erneut die Wahlen gewinnen sollte. Er weist darauf hin, dass die Anzahl der Morde, bei denen man von politischen Hintergründen ausgehen muss, in den letzten zwei Jahren gestiegen seien. Es seien vor allem FMLN-, Menschenrechts- oder soziale AktivistInnen auf lokaler Ebene betroffen. So hat er in diesem Zeitraum etwa 30 Fälle dokumentiert und setzt sich für eine Aufklärung der Verbrechen ein. Doch es finde keine Aufklärung statt, stattdessen komme es durch Polizei und Justiz zu gezielter Vertuschung und Desinformation.

Da das Justizsystem immer noch mit den gleichen Personen besetzt ist, die bereits den Staatsterrorismus der 80er Jahre unterstützt und legitimiert hatten, ist es nach wie vor von den politischen Machthabern instrumentalisierbar und höchst ineffizient. So besteht in El Salvador eine Straflosigkeit bei Mordfällen von über 96 Prozent. Nur in 3 bis 4 Prozent kommt es zu einer Verurteilung der TäterInnen. Dabei werden in keinem anderen lateinamerikanischen Land mehr Morde in Relation zur EinwohnerInnenzahl verübt als in El Salvador.

Es gibt eine Kontinuität der Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen seit den Bürgerkriegsjahren bis heute. Die 1993 verabschiedete Generalamnestie verfestigte diese Strukturen und verhinderte eine Demokratisierung des Landes. Ein Beispiel für das Ausmaß der Straflosigkeit ist der Fall der Schwestern Serrano Cruz, die 1982 als Kinder von der salvadorianischen Armee gefangen genommen wurden. Seit diesem Zeitpunkt sind sie verschwunden. 1993 reichte die Mutter der Mädchen Klage wegen des Verschwindens ihrer Kinder ein, seitdem führt sie zusammen mit der Vereinigung für die Suche nach verschwundenen Kindern, Pro-Búsqueda, einen politisch-juristischen Kampf um das Auffinden der Kinder. 2008, 15 Jahre nach der ursprünglichen Anzeige, befindet sich der Fall immer noch im Stadium von Voruntersuchungen. Allerdings musste sich im Juni 2008 General Flores Lima, mittlerweile im Ruhestand, den Fragen der Staatsanwaltschaft von Chalatenango und der AnwältInnen von Pro-Búsqueda über das Verschwindenlassen der Schwestern Serrano Cruz von 1982 stellen. Ein kleiner Lichtblick im Kampf gegen die Straflosigkeit: Zum ersten Mal seit Kriegsende musste ein ehemaliger hochrangiger Militär, der für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bürgerkrieges verantwortlich ist, vor einer Instanz des salvadorianischen Rechtssystems erscheinen. Allerdings haben die damaligen Täter auch heute noch beste Beziehungen zu Justiz und Politik, treten selbstbewusst in der Öffentlichkeit auf und brauchen eine wirkliche Verfolgung ihrer Verbrechen in El Salvador nicht zu fürchten.

Hoffnung gibt die Klage zweier Menschenrechtsorganisationen gegen den „Friedenspräsidenten“ Cristiani und 14 hochrangige salvadorianische Militärs vor der spanischen Justiz im November 2008. Sie sollen sich wegen der Ermordung von sechs Jesuiten, einer Haushälterin und deren Tochter im Jahr 1989 verantworten. Da es sich bei einem Teil der Opfer um spanische Staatsbürger gehandelt hat und da die Morde in El Salvador nicht verfolgt werden, konnte die spanische Justiz tätig werden. Zur Zeit wird vom spanischen Untersuchungsrichter geprüft, ob Verfahren eröffnet werden. Der salvadorianische, ultrakonservative Erzbischof Sáenz hat sich bereits gegen ein Verfahren ausgesprochen, da es angeblich nicht zur Wiederversöhnung beitrage.

Umstrittene Mega-Investitionsprojekte weiter vorangetrieben

Mit einer Reihe von „Mega-Investitionsprojekten“ versuchen Internationale Finanzorganisationen, die zentralamerikanischen Regierungen sowie die der USA, beste Bedingungen für transnationale Konzerne zu schaffen, damit diese sich die natürlichen Ressourcen der Region wie Wasser, Biodiversität, Erdöl, Erdgas, Bodenschätze und Land aneignen können. Zu diesen Mega-Investitionsprojekten gehören Staudämme, Bergbau, Hafenanlagen, Wiederbelebung des Eisenbahnnetzes und Megastraßen, welche die Projekte miteinander verbinden. Der salvadorianische Ökonom Raúl Moreno, der sich auf unsere Einladung hin im Juli 2008 auf Rundreise in Deutschland befand, legte sehr fundiert dar, wie diese Projekte juristisch durch Freihandelsabkommen abgesichert werden und Protest dagegen durch die Militarisierung der Region gebrochen werden soll. Ganz geht die Strategie nicht auf, denn die betroffene Bevölkerung übt ungebrochen Kritik und leistet Widerstand gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen.

2006 war Luis Rivera vom Widerstand gegen das Staudammprojekt El Chaparral zum Bundestreffen der El Salvador-Solidaritätsgruppen eingeladen. El Chaparral ist eines aus einer Reihe von Staudammprojekten zur Stromerzeugung. Die Interessen der AnwohnerInnen wurden zu keinem Zeitpunkt des Planungsprozesses berücksichtigt. Stattdessen droht ihnen Vertreibung, es sind außerdem schwere ökologische Folgeschäden zu erwarten. Nach und nach organisierten sich die AnwohnerInnen und gründeten zusammen mit Gemeinden, die von anderen Staudammprojekten betroffen waren, die „Nationale Anti-Staudamm- Bewegung“. Trotz der Militarisierung der Gegend und juristischen Maßnahmen gegen die exponiertesten GegnerInnen des Projektes lassen sich die AnwohnerInnen nicht einschüchtern. 2008 legte Präsident Saca den Grundstein für El Chaparral. Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen vor Ort, wo die AnwohnerInnen u.a. mit Straßenblockaden versuchten, dem Beginn des Baus Einhalt zu gebieten.

Umkämpft sind auch die Minenprojekte insbesondere zur Förderung von Gold und Silber, wie sie vor allem durch kanadische Unternehmen vorangetrieben werden. Bereits die Erkundungsarbeiten haben große Schäden angerichtet. Sollten die Projekte umgesetzt werden, so droht die ökologische Zerstörung ganzer Landstriche und damit gravierende gesundheitliche Schäden für die dort lebende Bevölkerung. Das kanadische Unternehmen Pacific Rim drohte bereits mit einer Schadensersatzklage gegen den salvadorianischen Staat, sollte es Explotationslizenzen nicht bekommen. Möglich werden solche Klagen durch die Investitionsschutzbestimmungen des 2006 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens CAFTA. Trotz Einschüchterungsversuchen, Anwerbung von Schlüsselpersonen und Medienkampagnen, welche die Gefahren des Bergbaus herunterspielen sollen, ist der Widerstand gegen diese Projekte sehr groß. Denn es sind viele Gegenden betroffen, in denen noch aus Bürgerkriegszeiten eine sehr gute Organisierung besteht. Die verschiedenen Widerstandsgruppen haben sich im „Nationalen Tisch gegen den Bergbau“ zusammengeschlossen.

Lebensbedingungen verschlechtern sich drastisch

Das salvadorianische Wirtschaftssystem ist äußerst effizient, wenn es darum geht, Armut und Marginalisierung zu produzieren. Das Resultat von zwanzig Jahren neoliberaler Politik ist eine extreme soziale Ungleichheit. Diese übertrifft sogar die Verhältnisse in den 60/70er Jahren, die eine der Ursachen für den Bürgerkrieg gewesen waren. Die ohnehin schwierige Situation wird durch eine Reihe von Freihandelsabkommen verschärft. Die Lebensmittel sind teurer geworden Das letzte Jahr war von starken Lebensmittelteuerungen geprägt. Diesen Trend gab es schon seit der Dollarisierung, er hat sich aber 2008 aufgrund der hohen Erdölpreise beschleunigt. Obwohl diese mittlerweile wieder gesunken sind, bleiben die Lebensmittelpreise konstant hoch. Hatten schon zuvor die Mindestlöhne nicht ausgereicht, um den Grundnahrungsmittelbedarf einer Familie zu decken, so hat sich nun die Lage dramatisch verschärft. Hinzu kommt die Erhöhung der Bus- und Energiepreise. Die Bevölkerung geht mit „Kochtopfkonzerten“ auf die Straße, doch die Brote bleiben klein.

Ermöglichten die Geldüberweisungen von emigrierten Familienangehörigen aus den USA zuvor vielen Familien das Überleben, so scheint die schlechte Wirtschaftslage in den USA eine Reduktion der remesas zur Folge zu haben.

Nun wird ein Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit Zentralamerika verhandelt. Formell besteht es aus den drei Teilen Freihandelsabkommen, politischer Dialog und Entwicklungszusammenarbeit. Das Hauptinteresse der EU liegt allerdings auf dem Freihandelsabkommen. Die anderen Komponenten dienen dazu, einen europäischen Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz zu propagieren und europäischen Konzernen in der Region mindestens die gleichen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, wie sie die US-amerikanischen durch CAFTA bereits haben. Besonders interessant sind dabei der Investitionsschutz, der Dienstleistungssektor, das öffentliche Beschaffungswesen und die Regelungen zum geistigen Eigentum (siehe Seite 26). Der salvadorianische Wirtschaftswissenschaftler Raúl Moreno geht davon aus, dass in Folge eines Assoziierungsabkommens die ohnehin sehr hohe Arbeitslosigkeit noch steigt, die Souveränität des Staates und die nationale Gesetzgebung zugunsten der Interessen transnationaler Konzerne weiter ausgehöhlt wird und die natürlichen Ressourcen der Region weiter geplündert werden. In El Salvador regt sich allerdings wenig Widerstand gegen das Assoziierungsabkommen. Zum einen verhindert das Image der Europäischen Union als Menschenrechtshüterin, dass die wahren Interessen hinter dem Assoziierungsabkommen wahrgenommen werden, zum anderen ist der Widerstand gegen die Freihandelsabkommen seit dem CAFTA-Abkommen, welches nicht verhindert werden konnte, etwas erlahmt. Zusammen mit dem salvadorianischen Netzwerk Red Sinti Techan hat das Ökumenische Büro 2008 eine biregionale Kampagne gegen das Assoziierungsabkommen ins Leben gerufen (siehe Seite 33).

Unsere PartnerInnen in El Salvador setzen große Hoffnungen auf einen Regierungswechsel. Trotz aller notwendigen Kritik an den derzeitigen Positionen der FMLN sehen sie darin die einzige Möglichkeit, dass es überhaupt zu einer Demokratisierung des Landes und zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerungsmehrheit kommt. Das Ökumenische Büro wird die Ereignisse in den nächsten Monaten aufmerksam verfolgen und wo nötig aktiv werden. Sollte es zu einer FMLN-Regierung kommen, so wird das Ökumenische Büro diese solidarisch, aber auch kritisch begleiten. Vor allem aber wird das Ökumenische Büro die selbstorganisierten Kämpfe der Bevölkerung um Gerechtigkeit und ein würdiges Leben weiterhin begleiten und unterstützen.


 

(eb)
Endlich Land in Sicht? Länderbericht El Salvador
Erschienen im Jahresbericht 2008 des Ökumeninschen Büros
München
Dezember 2008

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